Bist du schon mal mit einem mulmigen Gefühl aufs Pferd gestiegen? Oder traust du dich womöglich grad gar nicht mehr rauf auf den Pferderücken, weil du gestürzt bist? Kaum ein Reiter spricht gerne darüber, doch fast jeder kennt es: Angst beim Reiten.
Auch mir ist das Gefühl sehr gut bekannt und auch ich muss mich immer mal wieder neu mit der Angst beim Reiten auseinandersetzen, weil es Situationen gibt, in denen ich denke, dass etwas Schlimmes passieren könnte, dass ich vom Pferd falle und mich verletze. Ich weiß, dass diese Angst ein Stück weit berechtigt ist, denn im Laufe meines Reiterlebens gab es durchaus so manchen Sturz und nicht immer blieben die Knochen heile.
Angstfrei reiten: mein persönlicher Weg
Ich habe es mittlerweile geschafft, einen Weg zu finden, angstfrei zu reiten. Zumindest auf meinem eigenen Pferd.
Es gab eine Zeit, da konnte ich vor lauter Angst in Gesellschaft anderer Pferde nur Schritt reiten. Sobald schneller geritten wurde, überkam mich die Angst. Ich befürchtete, mein noch recht junges Pferd könnte durchgehen oder bocken.
Mir hat es sehr geholfen, offen über meine Angst zu sprechen und mir verständnisvolle Mitreiter mit sicheren Pferden zu suchen. Sie wussten, dass es mit mir keine aufregenden Galopprennen gibt und ich einen Gang runterschalte, sobald mich irgendetwas verunsichert.
Parallel dazu habe ich mithilfe von Centered Riding an meinem Sitz gearbeitet und das richtige Atmen gelernt. Das Atmen ist beim Reiten so wichtig, weil die Atmung eng mit unserer Befindlichkeit gekoppelt ist. Geht es uns gut und sind wir entspannt, atmen wir tief und befreiend mit dem Bauch. Sind wir gestresst oder haben wir Angst, dann atmen wir oberflächlich mit der Brust. Es ist also wichtig, dass wir uns unserer Atmung bewusst werden, damit wir sie bewusst steuern und somit unsere Befindlichkeit beeinflussen können: Entspannung und Anspannung sind zwei widersprüchliche Zustände, die von unserem Körper nicht gleichzeitig aufrechterhalten werden können. Atmen wir entspannt mit dem Bauch, löst sich unsere Anspannung auf.
Und was mir auch hilft bzw. geholfen hat: Ich steige ab, wenn wir unterwegs in eine Situation geraten, die mich verunsichert. Ich sehe das nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als unseren Weg, möglichst entspannt mit vermeintlichen Gefahren umzugehen.
Angst kann jeden Reiter betreffen
Doch oft gibt es keinen erkennbaren realen Grund, Angst zu haben. Stattdessen entsteht die vermeintliche Gefahr in meinem Kopf und meine Gedanken sorgen dafür, dass ich mich unsicher fühle. Was ja auch gut ist, denn Angst ist ein gesunder Schutzmechanismus gegenüber Gefahren und Bedrohungen. Er steckt in jedem von uns und wir können uns nicht dagegen wehren.
Und Angst kann jeden treffen, weiß Nicole Weber. Nicole ist Centered Riding Instruktorin, Hypnosetherapeutin und Hypnoseausbilderin aus Hannover und ihr Steckenpferd ist das Thema Equihypnose, über das ich vor ein paar Jahren schon einmal mit ihr gesprochen habe.
Nun hat sie zu genau diesem Thema ein Buch herausgebracht und das habe ich zum Anlass genommen, noch einmal mit ihr darüber zu sprechen, wie dir Equihypnose im Allgemeinen und ihr Buch Equihypnose®: Wege aus der Angst beim Reiten* im Speziellen dabei helfen kann, angstfrei zu reiten.
Warum haben wir Angst und was macht Angst mit uns?
Liebe Nicole, warum haben wir Reiter Angst?
Das ist eine gute Frage. Angst beim Reiten oder im Umgang mit dem Pferd ist in der Qualität anders als Angst beim Autofahren. Grundsätzlich geht es bei Angst um das Gefühl des Kontrollverlusts und mit dem Pferd haben wir ein Wesen an unserer Seite, das ein Fluchttier ist. Da haben wir wenig Kontrolle drüber; es wird zwar versucht mit schärferen Zäumungen und Co, aber letztendlich können wir ein Pferd nicht kontrollieren. Es hat seinen eigenen Kopf. Das ist der Grund, warum Angst beim Reiten so gehäuft auftritt.
Im ersten Teil deines Buchs Equihypnose gehst du auf die Entstehung und die Ursachen von Reitangst ein. Vielleicht kannst du es einmal zusammenfassen: Wie entsteht Angst und was bewirkt Angst in uns?
Angst ist erst einmal ein ganz wichtiges Gefühl, denn es soll unser Überleben sichern. Das ist auch der Grund dafür, warum wir schnell mit Angst reagieren können und sie chronisch werden kann. Alles, was für unser Überleben wichtig ist, ist auch gut ins uns verschaltet. Leider sorgt das dafür, dass wir auch Angst vor Dingen haben können, bei denen Angst sehr irrational ist. Bei Pferden sind Ängste nicht ungerechtfertigt, denn Reiten ist auch nicht ungefährlich.
Was bei Ängsten die größte Rolle spielt, ist das Gefühl des Kontrollverlusts. Das ist auch die Ursache der Entstehung, gemeinsam mit der Tatsache, dass wir von früh auf lernen auf Dinge mit Angst zu reagieren.
Kontrollverlust erleben wir das erste Mal sehr früh in unserem Leben.
Jedes weitere Mal wird das Maß voller, ich nenne das unser „Angstfass“, und irgendwann passiert etwas, dass das Fass zum Überlaufen bringt und dann ist die Angst vor dieser Sache da.
Für viele Reiter ist dieser letzte Auslöser der Angst ein Sturz oder eine andere schlimme Begebenheit.
Die Ursache jedoch, dass diese Angst dann beim Reiten empfunden wird, liegt im Leben viel weiter zurück und findet sich meistens in der Kindheit. Das können Momente sein, in denen wir uns mal sehr allein gefühlt haben bspw. als Kinder sind wir ja auf unsere Eltern angewiesen und angenommen, ich habe als Kind ein Problem und keiner hilft, ist das ein Kontrollverlust. Das heißt nicht, die Eltern haben Schuld. Die geben ja normalerweise ihr Bestes. Oft ist die Ursache kein wirkliches Trauma, natürlich kann aber auch ein traumatisches Erlebnis dahinterstehen.
Angst: ein großes Problem im Umgang mit dem Pferd
Warum ist es ein so großes Problem, wenn man als Reiter Angst hat?
Das Pferd als Fluchttier ist permanent am Scannen seiner Umgebung. Es achtet auf die Erregungslage seiner Mitwesen, das können Pferde, aber auch wir Menschen sein. Es nimmt unseren Herzschlag war und unsere Atmung und passt seinen an unseren an, umso mehr je enger die Bindung zu uns ist. Es achtet auf unseren Muskeltonus und die Ausschüttung unserer Stresshormone. Das alles kann ein Pferd. Es kann Gefahr überdeutlich wahrnehmen. Alles, was in uns vorgeht, bekommt es mit und reagiert darauf, eben um sein Überleben zu sichern. Dadurch schaukelt sich Angst mit einem Pferd schnell hoch. Das kommt natürlich auf das individuelle Pferd an. Manche können unsere Gefühle besser kompensieren als andere.
Und wie reagieren Pferde auf unsere Angst?
Sie bekommen oft auch Angst. Wenn wir Angst haben, muss da irgendwo etwas Gefährliches sein. Je mehr wir dann versuchen, die Angst nicht nach außen zu zeigen, desto schlimmer ist es für das Pferd. Denn nun erkennt es, dass wir „lügen“, wir sind nicht mehr authentisch.
Angstfrei reiten dank Equihypnose
Dein Weg, Reitern aus der Angst zu helfen, ist die Equihypnose. Erklär doch mal kurz was genau Equihypnose ist und wie sie funktioniert.
Equihypnose ist eine Methode, die ich entwickelt habe und meine eingetragene Marke. Es ist Hypnose am, auf und mit dem Pferd. Sowohl zur Bearbeitung von Ängsten, als auch um Sitz oder Einwirkung zu verbessern, und sie eignet sich auch hervorragend zur Verbesserung der Beziehung zwischen Mensch und Pferd.
Also ein richtige Gesamtpaket, das einem Angstreiter ganzheitlich und nachhaltig helfen kann. Wie bist du darauf gekommen?
Ich beschäftige mich schon seit 30 Jahren mit Hypnose und habe immer viel ausprobiert. Unter anderem eben auch, wie Pferde reagieren, wenn man Menschen hypnotisiert und wie man das mit dem Reiten kombinieren kann.
Auslöser hierfür war ein Ausritt mit einer Freundin, die mitbekam, was ich tat, als mein Pferd sehr nervös wurde (ich hatte ihn damals noch nicht lange und er kam als Steiger zu mir). Als wir uns darüber unterhielten, warum ich es schaffe, mein Pferd mental so runterzuholen ist mir klargeworden, dass viele Reiter damit ein Problem haben und da ich selbst Ängste kenne und mich da selbst rausgeholt habe, war das der Anfang. Dann hat es sich nach und nach entwickelt. Und ich habe immer noch viele Ideen, was damit noch so gehen könnte.
Wie sieht deine Arbeit in der Praxis aus, wie kann ich mir das vorstellen?
Meistens gibt es erst einmal ein ausführliches Telefonat, da erfahre ich dann mehr über das Problem, wie lange es besteht und natürlich auch über die Person, die es hat und das dazugehörige Pferd.
In den meisten Fällen steht als nächstes ein sehr intensiver Termin am Stall an. Ich mache mir meinen eigenen Eindruck über den Menschen und das Pferd. Schaue, welchen Grund das Pferd für sein Verhalten hat, falls es buckelt, steigt oder durchgeht.
Dann kommt ein Teil mit dem Pferd und danach einer ohne.
In der Zeit danach bleibe ich mit meinen Klienten in Kontakt. So sehen wir, was sich verändert und ob wir irgendwo nochmal dran müssen. Für die allermeisten ändert sich jedoch sehr schnell etwas und ein Termin ist ausreichend. Natürlich gibt es auch Fälle, wo die Hintergründe dramatischer sind und dann kann es sein, dass wir innerhalb einer gewissen Zeit öfter telefonieren oder auch eine kurze Sitzung per Video haben.
Was für Reiter kommen zu dir und bitten dich um Hilfe – ausschließlich Freizeitreiter oder auch namhafte Reiter?
Ich habe sehr viele Freizeitreiter unter meinen Klienten, aber auch viele namhafte Trainer und Berufsreiter. Ängste gibt es in allen Schichten und sie haben nichts mit Können zu tun. Niemand ist vor Ängsten gefeit. Leider stehen die wenigsten bekannteren Reiter dazu, dass sie Ängste haben oder hatten und wie sie diese überwunden haben. Das finde ich sehr schade.
Über deine Arbeit hast du auch in deinem Buch Equihypnose®: Wege aus der Angst beim Reiten* geschrieben. Mir gefällt es übrigens sehr gut, denn es ist nicht einfach nur ein Buch mit jeder Menge theoretischem Wissen, sondern es ist ein Buch, dass uns Reitern auch praktisch hilft, unsere Ängst loszuwerden. Du erklärst darin unter anderem ausführlich, was es mit der Angst auf sich hat, wie Pferde auf Angst reagieren und was Pferde mit ihrem Verhalten sagen. Außerdem bietest du viele, viele tolle Übungen, die dabei helfen, die Angst zu bewältigen. Vielleicht magst du selbst noch einmal kurz sagen, wie dein Buch helfen kann, die Angst vor dem Reiten zu überwinden und wie ich als Angstreiter damit arbeiten sollte.
Mein Buch ist als Selbsthilfe gedacht. Ich bringe damit die Hintergründe der Angst näher und wie man sie beeinflussen kann. Da ich jedem Klienten Selbsthypnose beibringe und ich immer wieder die Erfahrung mache, dass viele sich selbst helfen können, wenn sie nur wissen wie, habe ich das in Buchform gegossen.
Du kannst mithilfe des Buches Selbsthypnose lernen und deine Ängste verändern. Das mag nicht für jeden etwas sein, manche möchten mehr an die Hand genommen werden.
Aber diejenigen, die es selbst wagen wollen, ihre Angst zu überwinden finden hier eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Videos und Audios, um es so verständlich wie möglich zu machen.
Außerdem gibt es eine Facebookgruppe zum Buch. Dort kann man Fragen stellen oder mich auch anschreiben.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, um meine Fragen zu beantworten.
Du siehst also, man kann als Reiter seine Angst auch als Chance begreifen, um gemeinsam mit seinem Pferd eine neue vertrauensvolle Basis zu erarbeiten.
Wenn du mehr über Nicole und ihre Arbeit erfahren möchtest, dann schau doch gern mal auf ihrer Webseite vorbei.
Warum ich das Buch Equihypnose jedem Angstreiter empfehlen kann
Auch wenn du sagst Hypnose bzw. Selbsthypnose sei nichts für dich, möchte ich dir das Buch von Nicole sehr ans Herz legen. Eingangs habe ich dir erzählt, wie ich meine Angst in den Griff bekommen habe – unter anderem mit Sitzschulungen/Centered Riding (Stichwort: Zentrieren/die Kugel) und Atmen.
Und weil Nicole nicht nur Hypnosetherapeutin sondern auch Centered Riding Instructorin ist, findest du in ihrem Buch ganz ähnliche Übungen wie die, die auch mir dabei geholfen haben, einen Weg aus der Angst zu finden. So geht es beispielsweise ums Zentrieren, ums Stabilisieren und auch um die Atmung.
Außerdem findest du Praxistipps, wie du mit Gruselecken, schnelleren Gangarten und Ausritten in Zukunft gelassen umgehen kannst.
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