Die Hand des Reiters hat einen großen Einfluss auf das Pferd. Wir können unsere Hände beim Reiten hoch und tief, eng und breit tragen. Hinzu kommen Fehler, die sich immer wieder gern einschleichen uns aber erst bewusst sind, wenn wir drauf aufmerksam gemacht werden, wie z.B. offene oder verdeckte Hände. Welchen Einfluss die Hand auf dich als Reiter und auch auf dein Pferd hat, verrät dir dieser Beitrag.
Um fein zu reiten und leichte Hilfen geben zu können, brauchen wir eine gefühlvolle, mitgehende Hand. Und nur wenn mein Sitz zügelunabhängig ist, kann ich effektiv und störungsfrei mit dem Zügel kommunizieren und präzise Hilfen geben. Doch das klingt leichter, als es ist.
Ich merke zum Beispiel, dass meine Hand eher fest wird, wenn ich nicht locker und durchlässig auf dem Pferd sitze, beispielsweise weil ich mich auf etwas konzentriere, weil ich unsicher und ängstlich bin oder mich etwas anderes so sehr beschäftigt, dass ich (mental) nicht loslassen kann.
Natürlich ist in dem Moment nicht nur meine Hand/mein Arm fest, sondern mein gesamter Körper. In meinem Beitrag Feste Schultern beim Reiten: Welche Wirkung sie haben und wie du sie lockern kannst! und in meinem Beitrag Mit dem Becken beim Reiten mitschwingen: Warum es so wichtig ist und wie du locker auf dem Pferd sitzen kannst berichte ich bereits ausführlich über das Problem eines festen und steifen Reiters.
Häufig beginnt die Festigkeit nicht bei den Händen, sondern tiefer: bei den Beinen (indem geklammert wird) und dem festen Becken. Dies beeinflusst maßgeblich den Oberkörper und damit auch die Hand, um die es in diesem Beitrag geht.
Ist meine Hand beim Reiten fest – aus welchen Gründen auch immer – und als Hand meine ich nicht allein die Hand, sondern im Grunde den gesamten Arm: von der Hand über den Ellenbogen bis hin zur Schulter-, kann ich die Bewegung meines Pferdes nicht korrekt nach vorne durchlassen und sie bleibt stecken. Und noch mehr: Die Hände werden unruhig und stören das Pferd im Maul. Es entstehen ruckartige Bewegungen, die dem Pferd jedes Mal weh tun (können).
Deswegen ist es so wichtig, dass wir daran arbeiten und weicher und geschmeidiger werden.
Die Position der Hände hat Einfluss auf die Kommunikation mit dem Pferd
Doch auch darüber hinaus hat die Position der Hände, also die Höhe und die Breite, einen großen Einfluss auf unsere Kommunikation mit dem Pferd. Wie groß der Einfluss ist, konnte ich vor einigen Jahren sehr eindrucksvoll bei meinem Sleipi beobachten, als eine fremde Person ihn reiten wollte: Ich selbst trage meine Hände „normal hoch“ – also so, dass es vom Ellenbogen über die Hand und den Zügel bis zum Pferdemaul eine Linie gibt. Für einen Isi-Reiter trage ich sie vermutlich eher etwas höher, weil sehr viele Islandpferde – aus welchen Gründen auch immer – mit eher tiefer, breiter Hand geritten werden. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass viele Reiter denken, dass ihr Islandpferd auf diese Weise besser trabt – was natürlich Quatsch ist. Das ist aber nur eine Vermutung von mir. Auch viele Westernpferde werden mit tiefer Hand geritten, während die Legéreté beispielsweise die hohe Hand bevorzugt.
Die Reiterin, die auf meinem Pferd saß, ritt auch mit tiefer Hand. Mein Pferd war dadurch sichtlich irritiert und hat ihre Hilfen nicht verstanden. Optisch sah man vor allem die tiefen Hände, doch weil die Handposition den gesamten Sitz beeinflusst, beeinflusst sie die gesamte Hilfengebung des Reiters. Mein Pferd, das eigentlich sehr gut auf den Sitz reagiert, wusste oft nicht, was von ihm erwartet wurde.
Katja Teppich aus Hamburg ist Trainerin, Physiotherapeutin für Menschen und Osteopathin für Pferde. Sie hat sich auf Sitzschulungen spezialisierst und ist der Meinung:
Der Einfluss der Hand auf den Reitersitz
Über den Einfluss der Reiterhand auf den Reitersitz habe ich mich mit Katja Seevers unterhalten. Sie kommt aus Kisdorf bei Hamburg und ist spezialisiert auf den Reitersitz. Sie sagt:
„Ich bin der Ansicht, dass die Beckenposition des Reiters auf dem Pferd, einen großen Einfluss auf die Handhaltung hat. In meinen Sitzschulungen setze ich immer zuerst am Becken an. Das Becken ist meiner Meinung nach Dreh- und Angelpunkt beim Reiten. Es ist der „Motor“ mit dem wir Richtung, Rhythmus und Geschwindigkeit bestimmen. Mit den Gesäßknochen berühren wir das Pferd, bzw. den Sattel, und somit es ist der erste Kontakt zum Pferderücken. Der vom Pferderücken kommende Schwung wird hier aufgenommen und dann nach oben und unten weitergeleitet. Ich würde sagen 90 Prozent der Sitzfehler haben hier ihren Ursprung. Deswegen ist es so wichtig, bei unruhigen/hohen/tiefen/breiten Händen hier anzusetzen.
Meiner Erfahrung nach begünstigt ein festes Becken, welches nicht locker mitschwingen kann, eine unruhige Reiterhand. Der Schwung, der nicht im Becken ausgeglichen werden kann, wandert weiter über die Wirbelsäule in den Schultergürtel und von dort aus in die Arme und Hände.
Ein bewegliches Becken, welches sich dreidimensional bewegt, kann den Schwung gut aufnehmen und nach oben durch die Wirbelsäule herausleiten und er kommt kaum in der oberen Extremität an. Dies ist vergleichbar mit unruhigen/wackelnden Unterschenkeln. Hier muss das Becken genauso alle Pferdebewegungen aufnehmen und entsprechend verarbeiten und in diesem Fall nach unten über die Ferse ableiten.“
Praxistipp: Du hast mit einem festen Becken zu tun? Dann kommt hier ein Tipp für dich: Versuch dir auf dem Pferderücken sitzend vorzustellen, du würdest rückwärts fahrradfahren. Hierfür musst du loslassen und dich von deinem Pferd bewegen lassen. Achte darauf, was du spürst: Spürst du die Energie, die in der Hinterhand entsteht und nach vorne durchgeht? Selbstüberprüfung: Hältst du dich im Becken fest, fühlt sich alles sehr schwunglos, steif und stockend an.
So wirken verschiedene Handhaltungen auf den Reitersitz und das Pferd
Doch nicht nur das Becken hat Einfluss auf die Hand, auch die Hand hat Einfluss auf den Sitz des Reiters. Dazu erklärt Katja:
„Folgende Handhaltungen verändern den gesamten Sitz:
- Tief/eng zusammenstehende Hände: Tiefe und eng zusammenstehende Hände lassen den Reiter in der Brustwirbelsäule rund werden und die Schultern werden automatisch nach vorne gezogen. Hierdurch entsteht eine hohe Spannung in der Brustmuskulatur, welche kein lockeres Sitzen mehr zulässt. Zudem erkenne ich bei dieser Handhaltung immer wieder eine vermehrte Bauchmuskelaktivität, die einen Reiter zudem eher rund sitzen lässt und in der Lendenwirbelsäule die physiologische Lordose/Hohlkreuz verhindert. Diese/s brauchen wir jedoch, um adäquat mitschwingen zu können. Zudem beobachte ich bei heruntergedrückten Händen immer wieder einen erhöhten Druck auf Unterkiefer und Zunge des Pferdes.
- Hohe Hände: Hoch getragene Hände, stehen meiner Beobachtung nach immer mit einer aufgerichteten Brustwirbelsäule des Reiters in Verbindung. Dies ist ja prinzipiell nicht schlecht, jedoch ist auch hier eine leichte Kyphose/Rundung physiologisch und bei einer zu hohen Aktivität der Rückenmuskulatur kann der Schwung wieder nicht gut nach oben herausgeleitet werden. Die Zügelführung der höher getragenen Hände hat eine Einwirkung in den Maulwinkel des Pferdes zur Folge, welches bewiesenermaßen angenehmer für das Pferd und bei bestimmten klassischen Reitweisen gewünscht ist.
- Breit auseinander stehende Hände: Breite Hände bedeuten meist ein hohes Maß an Außenrotation der Schultergelenke, die Schulterblätter gehen hierdurch automatisch in Richtung Wirbelsäule. Dies nutze ich beispielsweise als Korrektur für einen Reiter mit sehr tiefer, enger Handposition. Die breiter geführten Hände lassen einen sich immer für einen Moment mehr aufrichten und die eigene Mitte, sowie den Schwerpunkt besser finden. Wenn man dann aus dieser Position beginnt, die Ellenbogen etwas mehr in Richtung Taille zu führen, kommen die Hände automatisch wieder etwas dichter zusammen und der Reiter kann sich selber besser Einrahmen. Gerade jungen Pferden dient die breiter geführte Hand auch als Rahmen und als Hilfe für das Abwenden und Biegen.
- Verdeckte/verdrehte Hände: Sie werden im Handgelenk nach oben, unten oder nach innen, außen abgeknickt. Dies geht immer einher mit dem Anspannen der Muskelgruppe, die diese Handgelenksbewegung ausführt. Nach innen abgeknickte Hände spannen die Beuger im Unterarm an, was zur Folge hat, dass die Ellenbogen wieder weiter abgespreizt werden. Nach oben abgeknickte Handgelenke wiederum lassen oft die Bizepsmuskulatur mit anspannen, welche den Ellenbogen mehr beugt. Ob man mit einer offenen Faust oder einer fest geschlossenen Faust weniger Gefühl hat, ist wahrscheinlich individuell zu sehen, jedoch ist die Zügelführung bei beiden Varianten meist erschwert. Die Zügel neigen meiner Beobachtung nach zu springen und somit ist eine weiche, konstante Anlehnung nicht mehr möglich.“
Weil jeder Reiter andere körperliche Voraussetzungen mitbringt, gibt es „die ideale Handposition“ für Katja auch nicht. Logisch. Jemand, der lange Arme hat, wird sie immer anders halten als jemand, der kurze Arme hat.
„In meinen Sitzschulungen schaue ich mir den Reiter immer auf dem Pferd und am Boden an, da sich hierbei viel zur Statik und Haltung des Reiters herausfinden lässt. Ein interessanter Punkt, bezogen auf die individuelle Handhaltung, ist beispielsweise, ob die Wirbelsäule recht gerade oder geschwungen, mit viel Hohlkreuz und Rundrücken verläuft. Wenn man sich einen aufrechten Holzstab auf dem Pferderücken vorstellt, hat dieser immer weniger Möglichkeiten die Bewegungen nach oben herauszulassen, als eine geschwungene, weichere Säule.
Eine Wirbelsäule, die mit Hilfe des Beckens in der Lage ist, den von unten ankommenden Schwung gleichmäßig aufzunehmen und von Segment zu Segment, über die tiefliegende Rückenmuskulatur, nach oben zu leiten ist beim Reiten immer von größerem Vorteil als eine Wirbelsäule, die eher steif in den Segmenten und fest in der oberflächlichen Muskulatur ist und genau diese Schwungweiterleitung erschwert und sich dies meist in unruhigen Händen widerspiegelt.
Haltung der Reiterhand: abhängig von Rücken- und der Bauchmuskeln
Die Haltung der Hände ist weitergehend auch abhängig von Muskeldysbalancen zwischen der Rücken- und der Bauchmuskeln des Reiters. Hier sollte im besten Fall ein gutes Gleichgewicht herrschen um alle vom Pferd ausgehenden Bewegungen bestmöglich auszugleichen.
„Wie oben schon erwähnt, ist die Position der Hände auch abhängig von den Proportionen von Pferd und Reiter, bzw. von der Halslänge des Pferdes und der Armlänge des Reiters. Hierdurch entstehen beispielsweise auch hoch oder tief getragene Hände.
Zudem ist die Handhaltung meiner Meinung nach, vom Ausbildungsstand des Pferdes abhängig. Hiermit meine ich den jeweiligen Stand der Anlehnung und den Aufrichtungsgrad des Pferdes, sodass die Position der Reiterhand auch immer abhängig von der Genickhöhe des Pferdes ist. Der sogenannte Ellenbogenwinkel muss stimmen, meint der Unterarm sollte mit dem Zügel eine gerade Linie zum Pferdemaul bilden.“
Doch auch wenn jeder Reiter und jedes Pferd andere Voraussetzungen mitbringen, so gelten einige Punkte immer.
- Die Hand muss ruhig und körperunabhängig getragen werden.
- Sie darf das Pferd nicht im Maul stören oder im Bewegungsablauf einschränken.
- Die Oberarme sollen locker hängen, um das Handgelenk nicht zu versteifen, sowie weder abgespreizt noch angepresst werden.
Um mögliche Fehler bei der Haltung der Hände zu korrigieren und eine weichere und durchlässigere Zügelführung zu erreichen, reicht es nicht, die Reiterhand allein zu betrachten. Stattdessen muss immer der gesamte Reitersitz im Fokus stehen.
7 Tipps für eine gute und weiche Reiterhand:
- Pferd und Reiter immer als Individuen sehen, da zwei unterschiedliche Bewegungsapparate möglichst harmonisch zusammenspielen sollen
- Bei Korrekturen am Becken ansetzen: Beckenbewegungen zulassen können, angespannte Muskulatur auch wieder lockerlassen können
- Mit Hilfsmitteln reiten: Therabänder, Tennisbälle/Franklinbälle
- Gleichgewichts- und Wahrnehmungsübungen am Boden machen
- Bilder im Kopf haben, was man erreichen möchte und wie dies aussehen soll
- Sitzübungen an der Longe: ohne Zügel reiten und sich ohne Zügel ausbalancieren
- Problemspezifische Übungen auf der Matte, Kräftigen und Dehnen, auch langfristig als Vorbereitung für das Reiten und als Prävention für mögliche Rückenbeschwerden
Weitere tolle und wirklich nachhaltige Tipps für eine gute Reiterhand bietet auch mein Lieblingsbuch: Centered Riding von Sally Swift
- Swift, Sally (Author)
- Wanless, Mary (Author)
Mehr über Katja Teppich und ihre Arbeit erfährst du hier auf ihrer Webseite.
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