Die Angst beim Reiten als Chance begreifen

Die Angst beim Reiten als Chance ergreifen Interview mit Wege zum Pferd

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Angst beim Reiten – dieses Thema hat sicherlich jeden Reiter schon einmal beschäftigt, sei es nach einem Sturz oder weil das Pferd plötzlich durchgegangen ist und nicht mehr kontrolliert werden konnte. Auch ich kenne die Angst beim Reiten sehr gut und es kommen immer wieder Situationen, in denen ich mich meiner Angst stellen muss, beispielsweise bei einem schnellen Galopp mit mehreren Pferden. Doch woher kommt die Angst? Was kann ich tun, um die Angst in den Griff zu bekommen und kann ich vielleicht sogar von meiner Angst profitieren?

Babette Teschen und Tania Konnerth von Wege zum Pferd im Interview mit Pferdefreunde zum Thema Angst

Zwei, die sich mit dem Thema Angst besonders gut auskennen, sind Tania Konnerth und Babette Teschen von Wege zum Pferd. Du kennst die zwei sicherlich von ihrem Longenkurs. Doch sie haben sich auch intensiv mit dem Thema Angst beim Reiten beschäftigt und einen Anti-Angst-Selbstlernkurs verfasst. Deswegen waren sie für mich die idealen Interviewpartner zum Thema Angst beim Reiten. Und ich freue mich sehr, dass sich die beiden Zeit für das Interview genommen und meine Fragen beantwortet haben.

Liebe Tania, liebe Babette, erklärt doch mal: Was ist Angst?

Tania und Babette: Zunächst ist Angst eine ganz natürliche und sinnvolle Schutzreaktion auf bedrohliche Reize. Wenn wir durch unsere Sinne einen angstauslösenden Reiz wahrnehmen, reagieren unser Körper automatisch, z.B. mit der Ausschüttung von Adrenalin, die uns ein schnelles Reagieren ermöglicht. Beispiel: Wenn ein Auto auf uns zurast, ist es gut, dass wir nicht lange überlegen, sondern gleich wegspringen.

Wie äußert sich Angst?

Angst hat viele Gesichter. Wenn ein Lebewesen etwas als gefährlich einstuft, wird es – je nach Typ oder Situation – mit einem der eingebauten Notfallprogramme reagieren:

  • Flight = Fliehen
  • Fight = Kämpfen
  • Freeze = Erstarren (bzw. sich tot stellen)

Diese Programme laufen in der Regel ohne bewusste Kontrolle, eben ohne ein Nachdenken ab. Das gilt sowohl für uns Menschen als auch für unsere Pferde. Es kann also jemand vor Angst panisch oder aggressiv reagieren oder auch (scheinbar) extrem ruhig bleiben und genau das macht es nicht immer leicht, Angst zu erkennen.

Warum ist Angst beim Reiten so hinderlich und welchen Einfluss hat sie auf Reiter und Pferd?

Leider kann unser Gehirn nicht immer zwischen tatsächlichen und nur angenommenen Gefahren unterscheiden. Das bedeutet, dass manchmal allein ein Gedanke an etwas Bedrohliches eine Angstreaktion auslösen kann. Da diese Angstreaktionen nicht steuerbar sind, reagieren wir dann unter Umständen nicht angemessen und so sind Fehlentscheidungen und auch Unfälle vorprogrammiert.

Hinzukommt, dass Pferde sehr gut darin sind, Angst bei anderen Wesen wahrzunehmen (das ist innerhalb der Herde unerlässlich, damit alle gleichzeitig fliehen, wenn eine Gefahr besteht). Sie lassen sich deshalb von unserer eigenen Angst schnell verunsichern und anstecken.

Was sind die häufigsten Gründe für Angst beim Reiten?

Am häufigsten dürften hier wohl eigene Erfahrungen sein, sprich: Man ist schon mal vom Pferd gefallen, wurde getreten oder gebissen oder man hat einen Unfall mitbekommen und hat seitdem selbst Angst, weil man die Bilder nicht aus dem Kopf bekommt. Viele stellen auch fest, dass sie mit zunehmenden Alter ängstlicher werden oder durch eine neue Verantwortung (wie z.B. Mutter zu sein).

Warum ist es so wichtig, die Angst loszuwerden?

Der Wunsch, die Angst einfach loszuwerden, ist verständlich und menschlich, aber wir glauben nicht, dass es darum gehen darf. Es geht vielmehr darum, unsere Angst bewusst zu erkennen, sie immer besser zu verstehen und dann mit ihr zu arbeiten.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Angst grundsätzlich etwas Sinnvolles ist, denn sie schützt uns vor Gefahren. Erst, wenn wir nicht gegen die Angst arbeiten, sondern sie und damit uns selbst verstehen lernen, können wir für uns geeignete Maßnahmen wählen, um sicherer zu werden.

Angst beim Reiten kann überwunden werden

Was kann ich als Reiter tun, um meine Angst loszuwerden?

Da gibt es aus unserer Sicht leider keine Methode für alle und auch keinen Geheimtipp, sondern jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden, wie er oder sie mit seiner Angst umgehen kann. Klingt anstrengend, ist aber eigentlich eine gute Sache, denn gerade die Auseinandersetzung mit der eigenen Angst schenkt uns viel Entwicklungspotential.

In unserem Anti-Angst-Kurs setzen wir auf Vertrauensbildung als Gegenpol zu Ängsten. Es geht also darum, auf dem aufzubauen, wo man sich sicher fühlt und sich nicht zu überfordern.

Hat jemand z.B. Angst vor dem Reiten, aber fühlt sich am Boden sicher, gilt es, diese Selbstsicherheit auszubauen und auf dieser Grundlage sich in ganz kleinen Schritten das Reiten zu erarbeiten. Ist das mit dem eigenen Pferd nicht möglich, kann es sinnvoll sein, sich erst einmal auf ein Pferd zu setzen, dem man vertraut.

Hat ein Mensch am Boden Angst vor dem Pferd, so gilt es hier in kleinen Schritten zu lernen, Kontakt, Berührungen, Führübungen und Bodenarbeit angstfrei aufzubauen.

Nicht immer schafft man das allein, hier ist es oft hilfreich, sich zumindest die ersten Schritte gemeinsam mit einer Person, der man vertraut und die Verständnis für Angst hat, zu erarbeiten.

Inwiefern hängen Körper und Gedanken beim Thema zusammen? Können körperliche Übungen dabei helfen, die Angst zu überwinden?

Angst hat ihre Wurzel sehr oft in unseren Gedanken und erfolgt dann als körperliche Reaktion. Sowohl Körperübungen (wie z.B. Atem- und Entspannungsübungen) als auch Mentalübungen können dabei helfen, Ängste bewusst wahrzunehmen und auch zu mildern. Aber sie allein werden das Problem nur bedingt lösen, wenn wir nicht bereit sind, uns aktiv mit unserer Angst auseinanderzusetzen.

Wie nachhaltig ist das Angsttraining?

Das kommt sehr darauf an, wie man Angst angeht. Wir halten nicht viel von Symptom-Kurierei, sondern setzen auf das Verstehen von Ängsten und auf Vertrauensbildung. Dieser Weg ist etwas länger und nicht immer einfach, aber wenn wir Ängste als Herausforderung annehmen, können wir durch sie viel lernen. Oft ist die Angst der Auslöser, ein vollkommen neues Miteinander mit dem Pferd aufzubauen.

Kann die Angst überhaupt gänzlich verschwinden, auch wenn sie berechtigt ist – beispielsweise nach einem Sturz?

Nein, und das ist auch nicht sinnvoll. Berechtigte Angst ist ein überlebenswichtiger Schutzimpuls, den durchbrechen zu wollen, wäre dumm. Gleichzeitig gibt es für niemanden Sicherheit, jeder kann sich im Falle eines Sturzes böse verletzen.

Letztlich ist es beim Reiten nicht anders als im Leben auch: Es geht darum, mit viel Verständnis für die eigene Not in einem manchmal auch immer wieder neu zu steckenden Rahmen gewisse Risiken auszuhalten und auf diese Weise gute Erfahrungen sammeln zu können (deshalb setzen wir auf ein sehr kleinschrittiges Vorgehen). Auf deren Grundlage kann man dann immer mehr Selbstsicherheit und Vertrauen entwickeln und die Angst wird weniger machtvoll.

Kann der Reiter auch von seiner Angst profitieren?

Ja, und genau darum geht es uns: Angst als Chance zu begreifen. Wenn wir unsere Ängste als Ausgangspunkt nehmen, eine vertrauensvolle Basis gemeinsam mit unserem Pferd zu erarbeiten, wird vieles möglich, das vorher undenkbar war. Aber dafür müssen wir bereit sein, an uns selbst zu arbeiten, Geduld zu haben und in sehr kleinen Schritten voranzugehen.

Welche Tipps könnt ihr den ängstlichen Reitern mit auf den Weg geben?

Der konkreteste Tipp, den wir geben können, ist bei Ängsten so kleinschrittig wie möglich vorzugehen.

Beispiel: Wer Angst beim Ausreiten hat, kann sich zunächst das Spazierengehen erarbeiten. Irgendwann kann man sich dann vielleicht angstfrei für ein kleines Stück im Schritt auf das Pferd setzen (unbedingt absteigen, BEVOR man wieder Angst bekommt), beim nächsten Mal vielleicht schon für ein paar Schritte mehr. Am Tag drauf traut man sich vielleicht wieder nicht, aber etwas später ist vielleicht schon ein kleiner Trab drin.

Es geht darum, bei sich selbst zu bleiben und in Wohlfühlschrittchen auf sein Ziel hinzuarbeiten. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht.

Vielen Dank, für das Interview!

Wie geht es dir, hast du auch manchmal Angst beim Reiten? Was war der Auslöser dafür? Wie gehst du mit der Angst um, hast du dir möglicherweise professionelle Unterstützung geholt? Oder hast du sogar mit dem Anti-Angst-Kurs von Babette und Tania deine Angst überwinden können? Ich freu mich auf deinen Kommentar, in dem du mir von deiner Erfahrung berichtest!

Weitere Lesetipps zum Thema Angst beim Reiten:

  • Wenn ich richtig atme, dann entspanne ich mich und die Angst verschwindet etwas. Darüber habe ich hier geschrieben: Die Anspannung einfach wegatmen.
  • Herzenspferd hat sich mit dem Thema Angst beim Reiten beschäftigt und gibt Tipps, wie die Angst überwunden werden kann.

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