Hypermobilität Pferd

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Hypermobilität beim Pferd: Wenn Pferde zu beweglich sind…

Hohe und weite Bewegungen – das ist es, wovon die meisten Reiter und Pferdebesitzer träumen. Und zwar rasseübergreifend, die Islandpferdereiter ebenso wie die Dressur- und Springreiter. Doch dieses Zuchtziel hat eine Kehrseite, die sich Hypermobilität nennt. 

Über die Frage, was Hypermobilität beim Pferd bedeutet, welche Auswirkungen es hat und warum es ein modernes Phänomen ist, habe ich mit Pferdephysiotherapeutin Ellen Bettina Wolff gesprochen. Sie hat sich auf die Therapie und das Training hypermobiler Pferde spezialisiert.

Was bedeutet Hypermobilität?

Ellen Wolff: Man spricht auch von Gelenk-, Kapsel- und Bandlaxität.  Eigentlich bedeutet es nur, dass in einem Körper zu viel Bewegung möglich ist.  Zu weiche Gelenke sind die Grundvoraussetzung für eine abnorme Beweglichkeit. Ursächlich dafür ist ein Defekt im Bindegewebe. Da aber aus dem Bindegewebe alle Körperstrukturen entstehen, liegt hier mehr als nur eine reine Gelenkdysfunktion zugrunde. Das macht die Hypermobilität sehr komplex.

Wann spricht man davon, dass ein Pferd hypermobil ist?

Davon sprechen meist nur Physiotherapeuten oder Osteopathen. Inwieweit die HM schon in der Veterinärmedizin oder bei den Zuchtverantwortlichen angekommen ist, weiß ich nicht. (Bekannt sind Erkrankungen wie Warmblood Fragile Foal Syndrome (WFFS – mehr dazu gibt es auf a life with horses zu lesen) und Degenerative Suspensory Ligament Desmitis (DSLD, Fesselträgerentzündung), die beide eine sehr schlechte Prognose haben und definitiv auf Gendefekten beruhen. Das muss man klar von der HM abgrenzen). Auch im humanmedizinischen Bereich führt die HM ein Schattendasein. Viele Ärzte kennen das Phänomen nicht, und meist wird eine hohe Beweglichkeit als positiv dargestellt. Leider.

Da bei Pferden heutzutage eine hohe Beweglichkeit auch als positiv gilt, wird die Hypermobilität mit verkaufsfördernden Worten umschrieben: „Schöne hoch-weite Bewegungen“, „ausgestattet mit drei überdurchschnittlichen GGA“, „viel Gummi und Tritt“, „viel Schub“, „schwingender Rücken“, etc). Man spricht höchstens mal davon, dass ein Pferd „zu weich“ ist oder „eine weiche Fesselung“ hat. Das ist schon negativ belastet, deshalb hört das keiner gerne.

Um eine HM wirklich feststellen zu können, gibt es in der Humanmedizin zwei Punktesysteme: Den Beighton-Score und die Brighton-Criteria.

Im Beighton-Score geht es um die Überbeweglichkeit von Fingern, Handgelenk, Ellbogen, Knie und Rücken, die man mit einem Winkelmesser ausmessen und als Gradzahl angeben kann.

In der Brighton-Criteria zählen Beschwerden, wie zB Gelenkschmerzen in einem oder mehreren Gelenken für mehrere Wochen, Weichteilentzündungen (Reizungen von Sehnen, Schleimbeuteln, etc), Luxationen / Subluxationen (zB Kniescheibe), Bandscheibenvorwölbungen, -vorfälle, Wirbelgleiten, zu große Hautelastizität, Hernien (Gewebsbrüche), Blasen-, Gebärmuttersenkungen, auch Aneurysmen zählen mit rein. Denn das alles kann mit dem zu schwachen Bindegewebe zusammenhängen.

Die wichtige Brighton-Criteria für ein Pferd korrekt als diagnostisches Mittel einzusetzen, ist fast unmöglich. Der Beighton-Score (für ein Pferd abgewandelt) wäre aber durchaus denkbar und innerhalb einer AKU zB bei der Beugeprobe mit zu beurteilen. Denn normalerweise kann man das Fesselgelenk am Vorderbein so weit beugen, bis der Huf den Unterarm / Ellbogen berührt. Bei der HM kann man ohne viel Kraftaufwand den Huf neben den Unterarm ziehen. Das wäre schon ein erster Hinweis, dh, die Ausgangsposition der Beugeprobe, nämlich das Beugen selber gibt schon Aufschluss über die Beweglichkeit. Da es aber weder die Brighton-Criteria noch den Beighton-Score für Pferde gibt, hat man keinen Maßstab an der Hand, um genau beurteilen zu können, ob ein Pferd hypermobil ist oder nicht.

Woran erkenne ich, dass mein Pferd hypermobil ist?

Ein Pferd mit genereller HM ist in sich eher schlapp, es neigt massiv zur Trageerschöpfung, hat weiche bis durchtrittige Fesseln, ist schnell müde und im Gewebe (Haut / Unterhaut / Muskulatur) oft schwabbelig.

Oft haben diese Pferde auch schlaffe Ohren, eine sehr weich hängende Unterlippe und einen verträumten müden Blick. Manchen sieht man es schon am Gesicht an. Das weiche Gewebe wird auch leider oft als positiv gewertet, nach dem Motto: Das Pferd ist sehr entspannt und die Muskeln so schön locker. Eine zu geringe Muskelspannung (Tonus) ist aber eher negativ. Oft miteinander gekoppelt: Hypermobil – hypoton. Also eine zu große Beweglichkeit mit zu geringer Gewebs-Muskelspannung. Das sind dann Pferde, die man leicht aus dem Weg drücken kann, sie halten kaum gegen den Druck des Menschen, haben kein gutes Standing.

Beim Reiten rollen sich die Pferde oft von alleine auf, geben im Genick zu schnell nach, man bekommt sie nicht an den Zügel, eine Anlehnung ist nicht gegeben. Selbst wenn man gebisslos reitet oder die Zügel lang lässt, wissen sie nicht wohin mit ihrem Hals.  Sie schwanken im Schritt mit dem Rumpf wie ein junger Labrador.

Viele hypermobile Pferde sind oft tollpatschig, machen seltsame Bewegungen, haben Koordinationsstörungen (z.B. Probleme beim Schmied), besitzen ein schlechtes Körpergefühl, stolpern öfters oder stürzen sogar, wodurch das Verletzungsrisiko steigt. Häufig haben auch schon Jungpferde Gelenk- und Sehnenprobleme an wechselnden Stellen, weshalb sie immer wieder in der Grundausbildung pausieren müssen.

Auch finden wir unter den hm Pferden immer wieder sog. Problempferde, die wegen unvermitteltem Durchgehen, bis hin zu Panikattacken alle möglichen Nuancen von Angststörungen aufweisen. Das kann durch vegetative Störungen, wie z.B. Schwindel oder auch massive Kopfschmerzen oder kleine Gelenksubluxationen, die einen plötzlichen Schmerzreiz setzen, ausgelöst werden.

Die HM tritt aber nicht immer in vollem Maße auf. Es gibt Pferde, die in der Oberlinie und im Rumpf zu weich sind, mit wabbeligem Gewebe, aber ein bombenfestes Fundament haben und umgekehrt. Es sind zig Varianten möglich, da muss man genau hinsehen.

Meist geben schon Texte in Verkaufsanzeigen erste Hinweise: Viel Gummi und Tritt, hochbegabter Bewegungskünstler, Lampenaustreter, weich wie Butter, überdurchschnittliche Bewegungen, prämiert als bewegungsstärkster Hengst, etc. Da sollte man als Kunde hellhörig werden.

Ist Hypermobilität angeboren oder antrainiert?

Da es sich bei Pferden um Zuchtprodukte handelt, die bewusst vom Menschen angepaart werden, muss man leider davon sprechen, dass es angeboren ist. Denn die HM ist oftmals ein Zuchtziel. Beim Menschen spricht man von familiärer Disposition.

Durch Training kann man es natürlich verstärken oder verringern, je nachdem, ob man mit einer bestehenden HM mobilisierend oder stabilisierend arbeitet.

Gibt es denn Pferderassen oder Reitweisen, bei denen HM häufiger auftritt?

Ja. Es sind alle Rassen betroffen, bei denen das Gangvermögen im Vordergrund steht. Zu nennen wären hier z.B. die Friesen, oftmals die PRE, und leider der Dressurwarmblüter, denn die HM ist mittlerweile die körperliche Voraussetzung, um in diesem Sport weit zu kommen.

Leider sind auch die Isländer (und andere Gangpferde) oft von der Hypermobilität betroffen, auch hier zählt das Gangvermögen: höher + weiter = besser. Die Isländer gelten aber nach wie vor als kleine robuste, starke Pferde, die problemlos einen Erwachsenen tragen können. Das ist leider heutzutage durch die Zucht in Richtung Bewegungswunder nicht mehr so. Denn die Stabilität geht zugunsten der Mobilität. Um aber einen Reiter tragen zu können, muss das Pferd stabil sein. Deshalb sehe ich die Entwicklung bei den Isländern sehr problematisch.

Zu den kritischen Reitweisen gehört ganz klar der Dressursport. Nicht die Dressur im eigentlichen Sinne, aber das, was heutzutage im Sport daraus gemacht wird. Auch vielfach Übungen aus der Akademischen Reitkunst und Zirzensik sind kritisch zu hinterfragen.

Im Springsport sieht man die Bewegungswunder auch vermehrt, da die Pferde heutzutage wendiger sein müssen, weil die Anforderungen im Parcours sehr schwer geworden sind. Die Springkurven werden steiler und die Wege zwischen den Hindernissen kniffeliger, da kommt man mit einem großen Kaliber nicht mehr durch. Die Belastung auf den Pferdekörper ist dabei natürlich immens hoch. Trotzdem haben die Springpferde heute eine längere Nutzungsdauer aufzuweisen, als die Dressurpferde. Eine erschreckende Entwicklung.

Distanzritte sind für hm Pferde auch keine gute Idee, da die Trageerschöpfung früher einsetzt.

Im Allgemeinen muss man auch das Freizeitreiten miteinbeziehen, denn die wenigsten Pferde aus diesem Bereich können gut und dauerhaft trainiert werden, um Belastungen wie z.B. einen (für den Reiter) gemütlichen 2-Stunden-Ausritt am Wochenende ertragen zu können.

Woran liegt das?

Ganz einfach daran, dass ein überbeweglicher Körper instabil ist. Soll aber ein Körper Belastungen standhalten und (Reiter-)Gewicht tragen, darf er nicht nachgeben. Die schnelle Ermüdbarkeit des hm Körpers spricht auch dafür, dass mit einem Training, sowie mit der Belastung beim Reiten vorsichtig umgegangen werden sollte.

Hypermobilität bei Pferden ist ein immer größer werdendes Problem
Hypermobilität bei Pferden ist ein immer größer werdendes Problem

Ist Hypermobilität demnach eine „moderne“ Krankheit?

Erstmal: Die HM gilt nicht als Krankheit. Erst wenn es zu einem Hypermobilitätssyndrom (HMS) wird, spricht man von einer Erkrankung. Was dazugehört, kann man aus der oben erwähnten Brighton-Criteria ableiten.

Ich würde die HM bei den Pferden als modernes Phänomen bezeichnen. Früher wurden die Pferde noch fürs Arbeiten gebraucht, da zählte Härte und Ausdauer, eine lange Lebenszeit und vor allem eine lange Nutzungsdauer. Die Zucht oblag den Landgestüten, die entsprechende Stutenstämme hatten und verschiedene Hengste. Es wurde mehr darauf geachtet, dass die Pferde gut funktionierten und vielfältig einsetzbar waren. Heute gibt es viele private Zuchtstellen, jeder kann sich aus seiner Stute (auch mit TK-Sperma vom Superhengst XY) ein Fohlen ziehen. Heutzutage haben wir einen Hengsthype. Nur wenige Hengste bedecken zu viele Stuten, die Vielfalt ist nicht mehr gegeben.  Aber eigentlich sind die Stuten das Rückgrat der Zucht. Hier läuft also etwas falsch. Und da immer mehr auf spektakuläre Bewegung und wenig auf Stabilität selektiert wird, kann man die HM als modernes Phänomen bezeichnen.

Kann ich die Hypermobilität operativ beheben, ähnlich wie bei uns Menschen?

Nein, auch beim Menschen kann man das nicht. Es wird nur hinter den Problemen her operiert, wenn es gar nicht mehr anders geht, z.B. bei Patella- oder Schulterluxationen. Auch viele Ops (z.B. Gelenkersatz wegen massiver Arthrose oder Gewebenetze einsetzen bei Hernien im Bauch- und Leistenbereich sowie Stents bei Aneurysmen) sind nur die letzte Möglichkeit, Patienten zu helfen, die unter den Folgen der HM leiden. Aber gegen die Hypermobilität selber kann man nichts tun.

Bei Pferden gibt es nicht diese Möglichkeiten der medizinischen Versorgung, besonders im internistischen Bereich. Da heißt es dann nur lapidar: Das Pferd hat eine Kolik. Warum und wieso weiß dann keiner. Dass manchmal eine HM schuld am Tod sein kann, wird oft nicht bedacht, z.B. bei Aortenrissen, Darmverschlingungen aufgrund von Hernien, Zwerchfellrissen, Divertikulosen am Darm mit chronischen Reizungen, Vernarbungen und Entzündungsherden, etc.  Die internistischen und auch gynäkologischen Probleme, die eine HM mitbringen kann, werden oft nicht erkannt. Auch die vielen Gelenkbeschwerden sind im Humanbereich zwar zu managen, mit Bandagen oder festen Orthesen, auch mit Schmerzmitteln und gezielter Physiotherapie, aber bei den Pferden ist die Prognose eher schlecht.

Kann ich mein hypermobiles Pferd denn trotzdem noch reiten?

Ja. Es kommt nur darauf an, wie stark die HM ausgeprägt, wie schwer der Reiter ist, wie hoch die Belastung, wie schwierig die Anforderungen sind, wie gut/schlecht der Trainingszustand des Pferdes ist, etc….

Letztendlich gibt es viele Menschen, die auf solchen Pferden reiten und es gar nicht wissen. Sie freuen sich, wenn sie ein liebes Pferd haben, dass vielleicht mal stolpert, aber butterweich zu sitzen ist, was dem geplagten Reiterrücken zugutekommt.

Was man seinem Pferd abverlangt, liegt immer individuell bei dem Menschen, der sich für sein Tier verantwortlich fühlt (oder eben nicht).

Man muss auch bedenken: Woher soll ein Reiter wissen, dass sein Pferd körperliche Probleme hat, wenn er es teuer beim Züchter als Top-Dressur-Crack mit überragendem Bewegungspotential gekauft hat.

Woher soll ein Freizeitreiter wissen, dass sein Isländer schon seit Monaten mit einem Fesselträgerschaden läuft? Bei dem langen Behang sieht man keine Schwellung. Und welcher Freizeitreiter kann einen Fünfgänger taktklar arbeiten? Wenn das Pferd im sog. Schweinepass läuft, wird es oft damit erklärt, dass weder das Pferd noch der Reiter gelernt haben, die Gänge sauber zu trennen. Dass dahinter aber vielleicht eine beginnende Lahmheit steckt, das weiß oft keiner. Folglich wird weitergeritten.

Fakt ist: Pferde leiden stumm und lassen sich viel gefallen. Wenn man weiß, dass das eigene Pferd hypermobil ist, sollte man so fair sein und es so wenig wie möglich belasten. So ergibt es sich zwangsläufig, dass das meiste Training am Boden stattfinden sollte.

Was muss ich beim Training und der Haltung beachten?

Den großen Raumgriff, den die hypermobilen Pferde mitbringen, gilt es zu verkleinern, um Tragkraft aufzubauen und den Rumpf zu stabilisieren. Das wiederum bringt dem Pferd auch ein besseres Körpergefühl und Sicherheit. Denn wenn man einen Körper hat, der in jede Richtung ausweichen kann, fühlt dieser Körper seine Grenzen nicht und findet schlecht die Mitte. Nicht zentriert zu sein ist für ein Fluchttier eine schlechte Basis.

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Es gibt viele kleine Übungen zur Versammlung z.B. Schulterherein, um die Hinterhand zu stabilisieren und das Pferd aufzurichten. Wenig vorwärts-abwärts, weil dadurch die Schrittlänge vergrößert wird und damit die Stabilität futsch ist.

Wichtig ist, das Pferd gut zu beobachten, weil hypermobile Pferde in jedwede Richtung ausweichen und sich prima durch die Lektionen schummeln können. Am besten man bittet jemanden, das Training aus verschiedenen Blickwinkeln zu filmen oder lässt einen anderen trainieren und guckt selber zu, was das Pferd macht. Denn mit etwas Abstand sieht man die Ausweichbewegungen besser.

Für die Haltung gilt das, was immer gilt: Gutes Heu rund um die Uhr, Bewegung, guter Untergrund, gerne auch mal wechselnd weich und fest und eine ruhige Herde, in der es sich gut leben lässt. Das ist immer die Grundvoraussetzung, um gesund zu sein.

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Muss ich zwingend mit weiteren Folgeerkrankungen (wie Arthrose) rechnen, wenn mein Pferd alt wird?

Ja, damit muss man immer rechnen. Kein Körper wird geboren, um ewig zu funktionieren. Ein Körper, der aber mit Defekten geboren wird, hat natürlich frühzeitig Probleme.

Oft sind die Folgen der HM beim Pferd in der Prognose ungünstig. Trotzdem kann auch ein hypermobiles Pferd alt werden, aber es wird nicht bis ins hohe Alter belastbar sein. Man muss damit rechnen, es frühzeitig in die Rente zu schicken. Dann aber bitte das Bodentraining weitermachen, denn vom Auf-der-Weide-rumstehen wird nichts besser. Und bitte nicht die noch junge Stute, die mit dem zweiten Fesselträgerschaden mit acht Jahren abgekippt wird, zur Zucht nehmen, damit sie noch einen Nutzen erfüllt. Dann steht die nächste Generation mit denselben Problemen bald im Stall.

Gibt es sonst noch einen Ratschlag, den du betroffenen Pferdebesitzern mit auf den Weg geben möchtest?

Hinsehen, nachdenken, informieren. Das sollte jeder tun, der überlegt, ob sein Pferd ins Schema Hypermobilität passt. Wenn ja, dann absteigen und Bodenarbeit zur Stabilisierung und zum Kraftaufbau machen. Fragt eure Trainer, Ausbilder, Therapeuten, ob sie von Hypermobilität Ahnung haben und euch somit ein gesundes Training vermitteln können. Denn hier kommt es nicht darauf an, eine bestimmte Übung zu machen, sondern zu erkennen, was für Ausweichbewegungen das Pferd macht und zu wissen, wie man diese verhindert, damit die Lektion auch zum Kraftaufbau nützt.

Prinzipiell gilt vor allem für Freizeitreiter: Sucht nach stabilen Pferden, die einen tragfähigen Körper haben. Keine super Gänge, keine langen Beine, keine Bewegungswunder, sondern gute, solide Pferde. Es wird leider immer schwieriger, diese zu finden, weil der Bewegungshype vor keiner Rasse Halt macht. Selbst Kaltblüter bekommt man heute schon mit der Prämie „bewegungsstark“ und schwebenden Gängen. Und das bei fast einer Tonne Körpergewicht.

Wer seine Augen schulen möchte, kann sich alte Videos z.B. vom Hengst Piaff (mit L. Linsenhoff) ansehen und das vergleichen mit dem, was heute in der Dressur geboten wird. Nur allein die Fesseln sprechen Bände, die Haltung des Halses und des Rumpfes. Dann wird einem vieles klar.

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Liebe Ellen, vielen Dank für das tolle Interview! Ich hoffe, dass wir damit vielen Pferdebesitzern helfen können, die Hypermobilität ihrer Pferde zu erkennen.

Hast du vielleicht auch ein hypermobiles Pferd? Vor welchen Problemen stehst du damit und wie trainierst du es? Berichte gern in einem Kommentar davon!

Auch ich als zertifizierte Pferdeergotherapeutin nach PFERGO Pferdeergotherapie habe immer wieder mit hypermobilen Pferden zu tun und kann Ellens Aussage bestätigen: Je stabiler der Rumpf des Pferdes ist und je besser das Körpergefühl des Pferdes ist, desto besser kann es mit seiner HM umgehen. Ich selbst nutze deswegen gern das propriozeptive Training, insbesondere das Training mit instabilen Untergründen.

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Welche Wirkung haben instabile Untergründe wie Balance Pads, Turnmatten, Fallschutzmatten und Co? Wie und warum lassen sich damit Balanceprobleme, Taktschwierigkeiten und eine fehlende Hinterhandaktivität verbessern? Um diese Fragen geht es in diesem Onlinekurs!

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Lesetipp: So profitieren hypermobile von propriozeptivem Training

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8 Kommentare zu „Hypermobilität beim Pferd: Wenn Pferde zu beweglich sind…“

  1. Vielen Dank für diesen tollen Bericht! Ich erkenne mein Pferd da wieder. Offenbar ist sie hypermobil.
    Sie ist zudem auch Headshakerin, das jedoch mit einem vernünftigen Rückentraining im Griff ist. Dieser Bericht öffnet mir eine andere Blickweise.

  2. Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Ich habe vor 5 Jahren ein rohes Pferd (eine Isländer-Stute) gekauft und habe einiges, das beschrieben wurde, wieder in ihr erkannt. In den 3 Jahren, in denen ich mir ihr arbeite, habe ich viel dazugelernt und mich in Geduld mit ihr und auch mit mir selber geübt. Sie ist jetzt 8jährig und braucht sehr viel Zeit und Bodenarbeit, um leistungsfähig zu werden und mit ihrem Körper und mir als Reiterin klar zu kommen. Ich muss sie gleichzeitig exakt und leicht reiten können und sehr gut ausbalanciert sein, das fordert mich und ich investiere sehr viel Zeit und Geld in Kurse, Ausbilder und Ostöopatin. Sie ist sicher nicht das unkomplizierte Robustpferd das man sich unter dem „Isländer“ vorstellt. Trotzdem freue mich ich über unsere stetigen kleinen Fortschritte und ihren tollen Charakter. Isländer werden vor allem als Freizeitpferde gehalten – daher müsste eigentlich das Zuchtziel der „altmodische“, kompakte und robuste Isländer sein, damit die Isländer den Ansprüchen der Freizeitreiter genügen können. Diejenigen, die solch ein ursprüngliches Pferd besitzen sind in der Regel sehr glücklich damit.

  3. Hallo Karo,
    ein super Interview zu einem wichtigen Thema.

    Ich schätze auch, dass es uns wohl leider in der nahen Zukunft noch viel häufiger begegnen wird, da sich der Trend in der Zucht zu immer mehr Beweglichkeit im Pferdekörper immer noch weiter fortsetzt.

    Ich glaube allerdings auch, dass sich der Hypermobilität je nach Schweregrad in einem gewissen Rahmen noch gut entgegenwirken lässt , bevor ein Pferd irreparable Schäden davon trägt und dass nicht jedes Pferd, das sehr beweglich ist zwingend untauglich ist. Durch eine durchdachte und altersgemäße Grundausbildung und eine Kräftigung der Muskulatur kann man dem Pferd helfen, seinen Körper zu stabilisieren und zu koordinieren.

    Deshalb ist es aber für uns Reiter umso wichtiger, unsere Pferde mit all ihren Stärken und Schwächen zu kennen und ein gutes und angepasstest Trainingskonzept zu erstellen. Dabei sollten wir wie ich finde immer wieder über den Tellerrand schauen und sinnvolle Übungen reitweisenübergreifend kombinieren.

    Allerdings wird auch bei bestem Training immer ein Restrisiko bleiben, dass die hypermobilen Pferde schneller körperliche Schäden davontragen. Deshalb sollten wir regelmäßig Unterstützung von erfahrenen Profis in Anspruch nehmen um Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und ihnen bestenfalls entgegenzuwirken.

    Abschließend muss man jedoch auch ganz klar sagen, dass starke Hypermobilität eine Nutzung als Reittier oft ausschließt, deshalb teile ich die Meinung aus dem Interview: “ Prinzipiell gilt vor allem für Freizeitreiter: Sucht nach stabilen Pferden, die einen tragfähigen Körper haben. Keine super Gänge, keine langen Beine, keine Bewegungswunder, sondern gute, solide Pferde. “ damit ihr lange Freude habt.

  4. Man sollte schon irgendwie Probleme machen wenn man schon keine hat.

    Wenn man ein lockeres, braves Pferd hat was auch noch schön zu sitzen ist, muss es ja irgendeine Krankheit sein. Es darf ja nicht vorkommen, dass jemand einfach zufrieden mit seinem Pferd ist und problemlos mit ihm klar kommt…

  5. Die Frage ist doch, wie man ein Pferd vernünftig und verantwortlich ausbildet. Und dazu gehört, dass ich mich als Reiter auf einen guten Ausbilder einlasse. Dann lerne ich – und zwar jahrelang – wie man verschiedene Typen von Pferden schonend und individuell ausbildet und reitet. Und nur wenn ich Pferde liebe, bin ich nicht von Modeerscheinungen wie strampelnden Pferden beeinflussbar. Das erkenne ich als unseriös, egal wie viele Zeitschriften oder Verkäufer dies als Ziel anpreisen.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass es HM gibt, doch bei seriösen Ausbildern hat sie keine Chance sich negativ auf die Gesundheit des Pferdes auszuwirken. Denn gute Ausbilder erkennen dies und steuern dagegen. Sie denken langfristig, schließlich wollen sie ein Pferd gut und korrekt ausbilden. Und das dauert! Kurzum, wer Pferde liebt, wird sich selbst best möglich ausbilden und ist dann in der Lage, das Pferd zu schützen.

  6. Vielen Dank für das tolle Interview mit Ellen Wolff.

    Ich möchte ergänzend gerne noch auf einen weiteren Aspekt zu diesem Thema eingehen.

    Ellen Wolff geht in dem Interview auf die genetische Komponente, also den züchterischen Anteil der Hypermobilität ein. Allerdings gab es gar nicht soviele Pferde, mit denen man so viele hypermobile Pferde auf einen Schlag züchten konnte, als diese Bewegungswunder Mode wurden, wenn auch die Strampelwunder besonders stark in der Zucht eingesetzt wurden.

    Es gibt leider auch eine weitere Komponente in der modernen Aufzucht, mit der man diese Überbeweglichkeit kann.

    Normalerweise wächst ein Jungpferd langsam heran. Ein Pferd braucht ca. 7 Jahre, bis man es als erwachsen bezeichnen kann. Lässt man der Mutter das Fohlen, wird es von ihr mit ca. einem Dreivierteljahr selbst abgesetzt, da die Nährstoffe jetzt verstärkt für den letzten Teil der neuen Trächtigkeit gebraucht werden. Das wird heute immer mehr verkürzt. Es gibt Rassen, da werden die Fohlen bereits mit 3 Monaten abgesetzt, 6 Monate ist meist die Regel.

    Die Fohlen und Absetzer werden meist alles andere als bedarfsgerecht gefüttert. Da werden jede Menge Fohlenstarter, Kraftfutter und was es da alles gibt in viel zu hohen und steigenden Mengen gefüttert, alles andere als wirklich bearfsgerecht, denn nicht die Fütterungsempfehlung auf der Tüte ist der Maßstab, sondern die Biologie des Pferdes und das passt in der Regel so nicht zusammen. Natürlich hat ein Fohlen und heranwachsendes Jungpferd einen anderen Bedarf als ein adultes Pferd aber die Futtermittel, die im Wesentlichen in der Aufzucht eingesetzt werden, sind eben nicht unproblematisch, diesem Bedarf gerecht zu werden. Es wird eher ein Scheinbedarf bedient.

    Die Knochen wachsen durch die übermäßige Zuführung von Futtermitteln mit hoher Energiedichte schneller, als die inneren Strukturen mithalten können. Dreijährige sehen dann äußerlich fertig aus, was gewollt ist und weshalb es schon fast normal ist, Dreijährige einzureiten und das noch in Turbogeschwindigkeit von typischerweise 3 Monaten. Außer Acht gelassen wird aber eben, dass die Entwicklung der Bänder, Sehnen, Gelenke noch überhaupt nicht so weit sind und eh schon überstrapaziert sind durch die zu langen Knochen. Die Knochendichte ist auch längst noch nicht ausreichend. Im Ergebnis hat man auch auf diese Weise Pferde, die ein hypermobiles Erscheinungsbild abgeben. Und diese Form der Aufzucht macht ja auch heute nicht vor Isländern halt.

    Da die meisten Zuchtbetriebe immer mehr auf diese Turboaufzucht setzen, weil sie es mittlerweile für normal in der Entwicklung eines Pferdes halten, wird da oft eine genetische, also erbliche Komponente drin gesehen, was es aber nicht immer sein muss. Aber egal, wieso ein Pferd hypermobil ist, es ist ein totsicherer Weg, die Belastungsgrenze eines Pferdes drastisch nach unten zu setzen, die Nutzungsdauer zu verkürzen und überdurchschnittlich viele Probleme anzuhäufen.

    1. Danke für dieses tolle Interview! Ellen Wolff ist einfach DIE Fachfrau für dieses Spezialgebiet. Ich beschäftige mich seit meiner Physio-Trainer-Ausbildung vor 4 Jahren intensiv mit diesem Thema. Eine ausbildende Tierärztin hat diese Diagnose damals bei meinem Isländer gestellt. So viele Dinge sind mir plötzlich klar geworden – extreme Balanceprobleme als Jungpferd durch seine Riesen-Schritte, stolpern, greifen, stürzen (auch ohne Reiter), starke Schiefe, Sattelprobleme, Tendenz zum Senkrücken mit fortgeschrittenem Alter, Schwierigkeiten in der Ausbildung … Mittlerweile haben wir gelernt, welche Art der Gymnastizierung bei uns hilfreich ist und wo es immer wieder Probleme gibt. Eine kleine Korrektur: DSLD ist bis heute nicht genetisch nachweisbar.

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