Fragt man nach Fütterungsempfehlungen, wird immer wieder empfohlen, 24 Stunden Heu anzubieten. Hier könnten die Pferde selbst entscheiden, ob sie fressen wollen oder nicht, die Fresspausen sind nicht zu lang und wenn sich die Pferde erstmal daran gewöhnt hätten, dass ihnen Heu ad lib. zur Verfügung steht, dann würden sie auch nicht den ganzen Tag vor der Heuraufe stehen. Leider klappt diese Fütterung nicht immer. Diese Erfahrung musste auch Kim machen. Ein dreiviertel Jahr lang hat sie es mit der 24-Stunden-Heufütterung probiert – mit der Erkenntnis, dass es in ihrer Pferdeherde nicht funktioniert. Hier erzählt sie dir von ihrer Erfahrung.
Gastbeitrag
Immer wieder stelle ich – glücklicherweise – fest, dass mehr und mehr Menschen sensibler werden, was die Fütterung ihrer Pferde angeht. Welches Futter sollen die Pferde bekommen? Wie viel? Wie lang dürfen die Fresspausen sein?
Diese Fragen gingen auch mir durch den Kopf, als ich auf der Suche nach einem neuen Stall war.
Idealerweise stellt man Pferden 24 Stunden Heu (= ad libitum) zur Verfügung. Denn Pferde sind ja Dauerfresser. So war auch mein Gedanke und ich war zunächst froh, einen Stall gefunden zu haben, bei dem mein Pferd keine Bauchschmerzen durch lange Fresspausen bekommt. Denn dafür ist meine Stute anfällig.
Im neuen Stall angekommen und eingewöhnt war zunächst alles toll. Meine Stute hatte kein Kotwasser mehr, keine Bauchschmerzen und war sehr ausgeglichen und zufrieden, fast vom ersten Tag an. Ihre Figur war okay. Als Knabstrupper aus der alten Linie ist man vermutlich nie gertenschlank.
Doch dann ging es los mit der Weidesaison und ab diesem Zeitpunkt lief es dann nicht mehr so rosig. Nicht nur mein Pferd, sondern die gesamte Pferdeherde explodierte plötzlich nach einigen Wochen. Da ist es natürlich wenig hilfreich, wenn die Pferde von der Weide kommen und sich einige von ihnen direkt den Bauch weiter mit Heu vollschlagen, obwohl sie ohnehin schon mehr rollen, als laufen.

Weide und 24 Stunden Heu – akute Rehegefahr
Die Pferde wurden fett. Richtig fett. Die Frau von der Pferdewaage bestätigte bei drei Pferden akute Rehegefahr.
Die Weidezeit wurde heruntergeschraubt auf zwei Stunden. Doch die 24 Stunden Heu aus einer Raufe mit engmaschigem Netz blieben. Denn dadurch, dass wir Selbstversorger sind und einige von uns im Schichtdienst arbeiten, ist es wirklich schwierig, regelmäßige Fütterungszeiten zu organisieren, bei denen dann auch noch die Fresspausen nicht zu lang werden.
Doch nicht nur die 24 Stunden Heu blieben, sondern leider auch die dicken Bäuche. Ist das Kind erstmal in den Brunnen gefallen, ist der Weg zurück wirklich nicht leicht. Das kann ich nun wirklich aus Erfahrung sagen.
Pferde mit Stoffwechselentgleisungen bedürfen einer ganz anderen Art von Fütterung. Unsere Herde besteht aus fünf Pferden. Vier Pferde haben Fettdepots bekommen oder stärker ausgebildet als zuvor. Daran war natürlich nicht nur das Heu schuld. Doch mit Sicherheit ist es ein Einflussfaktor, den es unbedingt zu verringern gilt.
Deswegen bin ich der Meinung, dass ad-libitum-Fütterung eben nicht für jedes Pferd und jede Herde funktioniert.
Im Herbst war ich froh, dass die Weidesaison vorbei war, doch nun standen die Pferde nur noch an der Raufe und bewegten sich keinen Meter weg vom Futter.
Wie soll man da die Fettdepots abbauen, die sich mittlerweile angesammelt haben? So viel kann man sein Pferd einfach nicht bewegen, um das zu schaffen. Natürlich ist Bewegung das A und O, doch bei 24 Stunden Heu haben wir Menschen mit unserer Pferdegruppe wahrlich gegen Windmühlen gearbeitet.

Die Lösung: eine zeitgesteuerte Heuraufe
Daher habe ich mich schlau gemacht und glücklicherweise ganz in unserer Nähe ein sehr nettes Ehepaar gefunden, das sich eine zeitgesteuerte Raufe selbst gebaut hat und damit den Heuverbrauch regeln kann, ohne selbst zusätzliche Dienste zu haben. Diese Raufe bauen wir gerade nach. Der momentane Stand ist folgender: Wir haben alle Teile für die Raufenabdeckung zusammen und der Anschluss der Elektronik steht in den Startlöchern. (Eine Anleitung für den Bau einer zeitgesteuerten Heuraufe findest du hier und die Bauanleitung für ein automatisches Weidetor hier)
Bisher haben wir die Raufe nun seit etwa einem Monat täglich zwei mal für 2 Stunden per Hand abgesperrt. Die Pferde blieben entspannt und gewöhnten sich schnell daran. Der Ballen hält schon jetzt einen bis eineinhalb Tage länger. Und die Pferde nehmen schon jetzt ein wenig ab. Minimal, aber ja. Die Fettdepots werden zunehmend weicher und die Pferde wieder bewegungsfreudiger.
Wenn das Heu weggesperrt ist, gehen die Pferde sofort von der Raufe weg und bewegen sich. Sie laufen mehr herum und bleiben nicht immer wieder aus Langeweile an der Raufe hängen. Sie trinken mehr – wir müssen täglich mehr Wasser auffüllen – und sie erkunden auch einfach mal ihren großen Paddock. Es ist einfach mehr Dynamik in der Herde.
Wir sind sehr gespannt, wie sich das Verhalten und auch die Figur der Pferde verändern werden, wenn die Fresszeiten durch die automatische Raufe noch weiter reduziert werden können. Immerhin leben sie jetzt noch den Luxus von 17 bis 20 Stunden Heu – je nachdem, wann sie an dem jeweiligen Tag bewegt werden. Wir wollen in Zukunft weitere Bewegungsanreize schaffen und Wasser und Heu durch einen 400-Meter-Trail miteinander verbinden, sodass die Pferde von sich aus mehr Strecke zurück legen müssen.
24 Stunden Heu verträgt nicht jedes Pferd
24 Stunden Heufütterung ist zwar ein toller Gedanke, jedoch erhält man damit nicht jedes Pferd gesund. Es gibt mehrere Aspekte, die du überprüfen kannst, wenn du dich fragst, ob dein Pferd 24 Stunden Heufütterung verträgt:
- Ist dein Pferd leichtfuttrig?
- Macht dein Pferd von sich aus Fresspausen? (Wenn nicht, könnte bereits eine Insulinresistenz vorliegen.)
- Hat dein Pferd bereits Fettpolster an Schulter, Hals, Kruppe, Rippen und Euter/Schlauchtasche angesetzt? (Manchmal sehen Fettpolster aus wie Muskeln. Woran du erkennst, ob es Muskeln oder ob es Fett ist, erklärt dir Herzenspferd.)
- Sind Trainingsanforderungen und Fütterungsmenge aufeinander abgestimmt?
- Wird mageres Pferdeheu gefüttert oder stammt das Heu von Hochleistungswiesen?
All diese Aspekte solltest du überdenken, denn sie können Warnhinweise für eine drohende Stoffwechselentgleisung sein.

Im letzten Jahr haben wir zumindest eines gelernt: Wenig Bewegung und viel Futter machen unsere Pferde krank. Viel Bewegung und weniger Futter ist für uns der Weg, die Kinder wieder aus dem Brunnen zu fischen. Dabei werden wir darauf achten, dass die Fresspausen möglichst gering, dafür aber häufiger als bisher sind. Außerdem wollen wir die Pferde langsam umstellen, damit der Fettstoffwechsel nicht entgleist und es zu einer Hyperlipidämie kommt. Möge es gelingen.
Wie sieht bei dir die Heufütterung bei deinem leichtfuttrigen Pferd aus? Steht es in einem Stall, wo du es zu jeder Wetterlage ausreichend bewegen und damit den Stoffwechsel wirklich gut anregen kannst? Welche Erfahrungen hast du mit Heu ad libitum im Zusammenhang mit einer Stoffwechselstörung wie EMS gemacht?
Ich würde mich sehr über deine Erfahrungsberichte freuen.
© Text und Bild 1,2 und 4: Kim Hameister
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Auf ihrem Blog fühlend-reiten.de hat sich Jayanthi mit den Bedürfnissen von Pferden beschäftigt.
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