Vorhandlastigkeit beim Pferd erkennen und trainieren

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Läuft mein Pferd auf der Vorhand? Vorhandlastigkeit erkennen und richtig trainieren

Hand aufs Herz: Kannst du erkennen, ob dein Pferd auf der Vorhand läuft? Und weißt du, warum Vorhandlastigkeit schädlich sein kann und wie du dein Pferd von der Vorhand auf die Hinterhand bringst? Mit diesem Beitrag möchte ich dir gern ein paar Hilfestellungen an die Hand geben.

Den Beitrag kannst du dir hier auch anhören:

Schaust du dir Vorhand und Hinterhand an, siehst du, dass hinten kräftige, fleische Muskeln sitzen. Sie sind dafür gemacht sind, ordentlich Kraft zu entwickeln. Die Vorhand hingegen ist eher sehnig. Wenn dein Pferd zu sehr auf der Vorhand läuft, werden die Sehnen, Bänder und Gelenke vorne überlastet.

Pferde sind von Natur aus vorhandlastig

Pferde sind aufgrund ihres Körperbaus von Natur aus vorhandlastig. Kopf und Hals des Pferdes machen Schätzungsweise 10 % des Gewichts aus. Grundsätzlich ist es also so, dass sich aufgrund des großen, schweren Kopfes und des langen Halses etwa 60 % des Gewichts auf der Vorhand und 40 % auf der Hinterhand befinden. Ein Reiter verstärkt dieses Ungleichgewicht.

Du kannst dir nun sicherlich vorstellen, dass Pferde, die stark auf der Vorhand laufen, häufig auch Probleme mit ihrer Balance haben – vor allem, wenn noch ein Reiter drauf sitzt. Ihr Schwerpunkt ist einfach ziemlich weit vorn.

Vorhandlastigkeit und Balanceprobleme klingen für dich ein bisschen abstrakt? Ich möchte es dir an einem Beispiel verdeutlichen: Kennst du aus deiner Kindheit noch diese tollen, bunten Spiralen? Wenn du die Spirale auf eine Treppenstufe gesetzt und das obere Ende nach vorne gekippt hast, ist die Spirale ihrem Schwerpunkt hinterhergekippt und die Treppe runtergelaufen.

Ein Pferd auf der Vorhand ist keine Spirale und der Effekt ist nicht im Ansatz so stark. Ich wollte dir damit nur den Zusammenhang zwischen Balanceproblemen und Vorhandlastigkeit aufzeigen.

Vorhandlastige Pferde können sich in Wendungen schlecht ausbalancieren. Besonders deutlich merkst du das, wenn du dein Pferd auf dem Zirkel reitest oder longierst. Dein Pferd driftet immer wieder nach innen oder außen, es kippt, legt sich auf den Zügel usw. Oft sind Pferde, die auf der Vorhand laufen, sehr langsam oder sie rennen ihrer Balance hinterher und haben ein enormes Tempo drauf – Geschwindigkeit stabilisiert schließlich. Fährst du schnell Fahrrad, wirst du immer besser im Gleichgewicht sein, als wenn du langsam fährst.

Körperhaltung und Exterieur des Pferdes beeinflussen seinen Schwerpunkt

Je nach Körperhaltung verschiebt sich aber der Schwerpunkt deines Pferdes.

Je versammelter ein Pferd beispielsweise läuft und je mehr es sich mit der Hinterhand trägt, desto mehr verschiebt sich auch sein Schwerpunkt nach hinten.

Doch ob dein Pferd auf der Vorhand läuft oder nicht, hängt nicht nur vom Training ab, sondern auch von seinem Körperbau. Hat ein Pferd einen tiefen Hals, eine steile Schulter (der Winkel zwischen Schulterblatt und Oberarm beträgt mehr als 100°) oder ist es überbaut, dann ist die Vorhandlastigkeit bei diesem Pferd von Natur aus sehr viel ausgeprägter als bei einem Pferd, das beispielsweise einen hohen Halsansatz hat.

Auch ein Pferd, das viel Schubkraft und noch wenig Tragkraft hat, wird seinen Schwerpunkt eher weiter vorn haben. Dies ist zum Beispiel bei Jungpferden so. Gleiches gilt, wenn die Wirbelsäule durchhängt: Auch hier verlagert sich der Schwerpunkt zunehmend nach vorn, weil das Becken in die falsche Richtung kippt und das Pferd nach hinten raus und nicht in Richtung Schwerpunkt tritt.

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Zusammenhang Vorhandlastigkeit und Hinterhandaktivität

An dieser Stelle möchte ich ganz kurz auf die Aktivität der Hinterhand eingehen:

Gemeinhin heißt es, „das Pferd soll unter den Schwerpunkt treten“. Auch ich sage das immer wieder, weil es eine gängige Formulierung ist, die die allermeisten Pferdemenschen kennen. Meist wird dies damit gleichgesetzt, dass der Hinterhuf in die Spur des Vorderhufes oder besser noch darüber hinweg treten soll. Doch – und das ist wichtig zu wissen: Nur weil ein Pferd mit den Hinterbeinen so weit untertritt, heißt es nicht, dass es auch über den Rücken geht, spricht sein Becken abkippt und den Rücken aufwölbt.

Hier spielt nämlich auch das Exterieur des Pferdes mit rein:

  • Ein kurzes Pferd mit langen Beinen und tritt weit rüber.
  • Ein langes Pferd mit kurzen Beinen tritt wesentlich kürzer. (So einen „Reit-Dackel“ hab ich auch – die Bezeichnung nutzte neulich eine Teilnehmerin meines Onlinekurses und ich fand sie so passend, dass ich sie gleich übernommen habe 😉 )

Pferde mit viel Schub treten weit unter. Das sieht auf den ersten Blick gut aus. Schaust du aber genauer hin, siehst du, dass diese Pferde nicht unbedingt über den Rücken gehen. Sie schwingen ihre geraden Beine nach vorn, beugen dabei aber wenig die Hanken. Diese Pferde haben dann zwar eine aktive Hinterhand, die Hinterhand schiebt aber mehr als dass sie trägt.

Und dann gibt es noch eine zweite Möglichkeit, die nach viel Hinterhand aussieht und wo sich der Kreis zur Vorhandlastigkeit schließt: Läuft das Pferd auf der Vorhand und diese bleibt möglicherweise einen Tick länger stehen, sieht es aus, als würde das Hinterbein gut untertreten. Der Schein trügt aber.

Dein Ziel sollte daher sein, die Schubkraft allmählich in Tragkraft umzuwandeln. Denn dann kann dein Pferd seinen Schwerpunkt und sein Gewicht zunehmend nach hinten verlagern und die Vorhand leicht werden lassen.

Übrigens: Je versammelter ein Pferd geht, desto weniger weit tritt es unter. Ist auch logisch, wenn du an die Schwerpunktverlagerung denkst. Und je versammelter ein Pferd geht und je mehr es seine Hanken beugt, desto weniger raumgreifend kann es sich bewegen.

Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass ein Pferd, das nicht aktiv untertritt, automatisch versammelt geht!

Kleine Blickschulung: Hinterhand und Vorhand

Auf den folgenden beiden Bildern siehst du meinen „Isi-Dackel mit seinem wirklich nicht idealen Körperbau: langer Rücken, tiefer Hals, kurze Beine. Tölten kann er mit dem Körperbau eher schlecht. Wir haben immer Probleme mit der Vorhandlastigkeit. Und dem Untertreten. Was ich dir aber an den beiden Bildern zeigen möchte, ist folgendes: Auf beiden Bildern ist in etwa die gleiche Trabsequenz zu sehen. Das obere Bild ist leider nicht genau so seitlich, sondern von weiter vorn fotografiert. Du siehst aber einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Bildern, wenn du dir Becken und Rücken anschaust: Oben gibt es eine richtige Beckenbewegung, der Rücken kommt hoch. Auch wenn die Tendenz noch immer eher in Richtung Vorhand ist und der Takt nicht zu 100% stimmt (das Hinterbein ist etwas langsamer als das Vorderbein), trägt die Hinterhand zunehmend. Unten tritt das Pony ziemlich exakt weit unter – im Rücken tut sich aber überhaupt nichts, das Becken ist eher in die entgegengesetzte Richtung gekippt, das Hinterbein tritt nach hinten raus und das Pferd ist deutlich auf der Vorhand.

An diesen Punkten kannst du erkennen, ob dein Pferd auf der Vorhand läuft

Um zu erkennen, ob ein Pferd auf der Vorhand läuft oder nicht, gibt es ein paar Punkte, auf die du achten kannst:

  • Wenn dein Pferd stark auf der Vorhand läuft, sieht man das meist daran, dass das Pferd wirkt, als würde es in den Boden laufen.
  • Einige Pferde verkriechen sich auch hinter der Senkrechten, sie „rollen sich ein“. Dies hängt damit zusammen, dass hinten zu wenig Kraft entwickelt wird und zu wenig Energie nach vorn zum Genick durchfließt.
  • Bei Pferden, die auf der Vorhand laufen, treten die Hinterbeine vermehrt nach hinten raus. Das Becken kippt nicht ab, der Rücken wird nicht aufgewölbt.
  • Je nachdem, wie ausgeprägt die Vorhandlastigkeit ist, neigt dein Pferd auch vermehrt zum Stolpern.
  • Taktfehler treten auf – sehr schön zu sehen, wenn der Zweitakt im Trab fehlt.
  • Einige Pferde, die sehr auf der Vorhand laufen, treten sich auch gern hinten in die Vorhand rein (sie treten sich die Eisen ab), weil die Vorhand zu lang am Boden bleibt und nicht schnell genug wegkommt – das kannst du selbst mal testen: Geh in den Vierfüßler und mach dich vorn richtig schön schwer. Dann läufst du auf allen Vieren vorwärts. Das gleiche machst du nochmal und verlagerst dabei aber dein Gewicht und deinen Schwerpunkt mehr auf deine Beine. Geht leichter und flüssiger, oder?
  • Weniger Raumgriff. Optisch gut zu erkennen, wenn du ein Bild deines Pferdes machst und die Beine als Dreieck miteinander verbindest.
Auf dieser Grafik (Quelle: pixabay) ist der Taktfehler im Trab sehr schön zu sehen

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Vorhandlastigkeit abtrainieren

Grundsätzlich solltest du versuchen, durch dein Training den Schwerpunkt deines Pferdes etwas weiter nach hinten zu bringen. Und dies gelingt umso besser, je stabiler der Pferderumpf ist.

Je stabiler der Rumpf des Pferdes, desto leichter fällt die Kontrolle des Körperschwerpunktes und desto besser ist die Balance.

Dein Pferd muss in der Lage sein, sein Becken abzukippen und unterzutreten, es muss also seine Hinterhand aktivieren – hier sind Übergänge und Tempovarianzen zum Beispiel gut geeignet. Eilige Pferde solltest du versuchen ruhiger und langsamer zu reiten (oder an der Hand zu arbeiten). Denk immer an ruhige, langsame, große Schritte. Elegant Schreiten statt im Stechschritt um die Bahn zu laufen.

Gleichzeitig muss es aber auch vermehrt zum Tragen kommen und Tragkraft aufbauen. Hier sind auch Übungen geeignet, die in Richtung Versammlung gehen (insbesondere Seitengänge wie Schulterherein und Travers).

Darüber hinaus kannst du mit Koordinationstraining viel erreichen und spielerisch die Balance verbessern. Geeignet sind zum Beispiel Stangentraining, Podesttraining (das Pferd muss seine Hinterbeine mehr unter den Körper nehmen und sich auf kleiner Fläche ausbalancieren) und natürlich auch mit der Plufsig und Balance Pads sowie mit der Pferdewippe, also mit Trainingstools, die Balance und Gleichgewicht verbessern.

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1 Kommentar zu „Läuft mein Pferd auf der Vorhand? Vorhandlastigkeit erkennen und richtig trainieren“

  1. Ich liebe deine Beiträge.
    ich Stimme mit jedem überein.ganz tolles Fachwissen.
    Super formuliert.danke für dieses Wissen und das Zusammen fassen.
    Glg Jacqueline

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