Die Atmung spielt beim Reiten – oder vielmehr im gesamten Umgang mit unseren Pferden – eine elementare Rolle. Trotzdem wird ihr viel zu wenig Aufmerksam geschenkt. Dabei kann die richtige Atmung vor allem beim Reiten ein tolles Hilfsmittel sein – und zwar nicht nur um dich und dein Pferd in Stresssituationen zu entspannen, sondern zum Beispiel auch um Sitzprobleme zu korrigieren und die Angst beim Reiten zu lösen.
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Ich habe die Wirkung der Atmung in Bezug auf das Reiten vor vielen Jahren bei einem Lehrgang kennengelernt. Bis dahin war mir nicht klar, wie wichtig die richtige Atmung beim Reiten ist. Aber allein durch das tiefe Atmen in den Bauch hinein wurde ich viel lockerer und saß viel besser und vor allem auch stabiler auf dem Pferd.
Seitdem spielt die Atmung bei mir eine große Rolle. Wenn ich merke, ich verkrampfe während des Reitens, weil ich mich so sehr auf eine Übung konzentriere, oder weil im Wald plötzlich ein Reh neben uns aufspringt, dann erinnere ich mich an die Übungen, atme ein paar Mal bewusst tief ein und aus und nehme mir und meinem Pferd so die Anspannung.
Und vielleicht kennst du die Situation auch: Die Reitstunde ist anstrengend. Dein Pferd soll sich korrekt auf dem Zirkel biegen. Doch ständig schummelt sich die Hinterhand raus. Und je mehr du dich bemühst die korrekte Biegung zu erreichen, desto mehr verspannst du dich. Du selbst merkst das gar nicht, Außenstehende wie deine Reitlehrerin nehmen das aber sehr deutlich wahr. Ein „Jetzt mal tief durchatmen“ wirkt daher umso befreiender für dich: Du holst tief Luft, atmest aus und merkst, wie die Anspannung von dir fällt.
Bauchatmung vs. Brustatmung
Das Atmen ist beim Reiten so wichtig, weil es mit unserer Befindlichkeit gekoppelt ist. Geht es uns gut und sind wir entspannt, atmen wir tief und befreiend mit dem Bauch. Sind wir gestresst oder haben wir Angst, dann atmen wir oberflächlich mit der Brust.

Brustatmung ist oberflächlich
Die Brustatmung ist eine oberflächliche Atmung. Sie versorgt den Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff und sammelt Kohlendioxid und Schlacken, Abfallprodukte der Atmung, in der Lunge an. Das kann eine vorübergehende Vergiftung des Körpers bewirken. Diese äußert sich in Form von Unruhe, Erschöpfung oder Müdigkeit.
Außerdem führt die Brustatmung zu Verspannungen – Nackenverspannungen zum Beispiel sind häufig eine Folge von Brustatmung. Oder auch feste Schultern, die uns beim Reiten wieder behindern. Stress im Alltag, in der Schule oder im Beruf führt dazu, dass wir die entspannende Bauchatmung vergessen und nur noch mittels Brustatmung Luft holen. Weil atmen aber ein automatisierter Prozess unseres Körpers ist, merken wir das gar nicht. Wir merken zwar, dass unser Nacken verspannt ist, woran das aber liegt, wissen wir nicht.
Es ist wichtig, dass wir unsere Atmung bewusst steuern. So können wir unser körperliches und emotionales Befinden positiv beeinflussen.
Bauchatmung entspannt
Sind wir angespannt, nervös oder gestresst, dann kann entspanntes Atmen dafür sorgen, dass sich diese Befindlichkeit auflöst und wir entspannen. Entspannung und Anspannung sind zwei widersprüchliche Zustände, die von unserem Körper nicht gleichzeitig aufrechterhalten werden können. Die Anspannung weicht deswegen der Entspannung.
Das richtige Atmen spielt übrigens nicht nur beim Reiten eine wichtige Rolle, sondern auch bei der Bodenarbeit! Schließlich setzen wir unseren Körper als Kommunikationsmittel ein. Sind wir angespannt, können wir uns unserem Pferd nur schwer mitteilen.
Der Blasebalg: So geht die richtige Atmung beim Reiten
Aber wie funktioniert das Atmen eigentlich? Damit wir richtig, also mit dem Bauch, atmen zu können, müssen wir erst einmal verstehen, was wie die Atmung funktioniert.
Wenn wir Luft einatmen, werden zwei Mechanismen in Gang gesetzt: Wir heben unsere Rippen mithilfe der Atemmuskulatur und spannen die Muskulatur des Zwerchfells an. Dabei wird das Zwerchfell nach unten gezogen, der Raum zwischen den Rippen nimmt zu und in der Lunge entsteht ein Vakuum. Atmen wir aus, entspannt sich die Muskulatur wieder und die Luft wird herausgedrückt.
Das Ganze gleich einem Blasebalg: Wird er auseinandergezogen, strömt die Luft rein. Wird er zusammengedrückt, entweicht die Luft.
Den Blasebalg spüren
Wenn wir beim Atmen eine Hand auf unseren Bauch legen, dann können wir den Blasebalg spüren. Atmen wir ein, wird der Bauch groß. Atmen wir aus, verkleinert er sich wieder.
Wenn wir Stress haben oder uns während der Reitstunde anstrengen, damit uns eine Übung gelingt, dann vergessen wir tiefe Blasebalgatmung und atmen flach mit dem oberen Brustbereich. Dabei verspannen wir uns unbewusst, ziehen womöglich sogar die Schultern hoch und werden nach und nach immer fester.
Pferde, die sehr sensibel sind, spüren das sofort und reagieren ebenfalls mit Anspannung. Je mehr wir uns anstrengen das Pferd locker zu machen, desto mehr verspannen wir uns dabei und desto angespannter wird das Pferd. Statt Entspannung entsteht also Verspannung. Ein Teufelskreis.
Durchatmen hilft!
In so einer Situation kann eine Pause zum Durchatmen helfen. So können wir locker werden und unserem Pferd die Möglichkeit geben, sich ebenfalls zu entspannen. Außerdem kann tiefes und gleichmäßiges Atmen einem spannigen Pferd dabei helfen, den Takt wiederzufinden. Sitzprobleme, die von Verspannungen her rühren, können weggeatmet werden. Und bei der Bodenarbeit klappen plötzlich Dinge, die vorher nicht geklappt haben.
Übungen für besseres Atmen
Leider ist die Theorie nicht immer so leicht umsetzbar. Wir nehmen uns vor, entspannt zu atmen. Aber sobald wir konzentriert an der korrekten Biegung arbeiten, halten wir wieder unbewusst die Luft an und atmen verspannt mit der Brust.
Diese drei Übungen können dir beim Atmen helfen:
- Zählen. Bei 1, 2, 3 langsam und tief mit dem Bauch einatmen, bei 1, 2, 3, 4, 5 langsam ausatmen. Wie beim Joggen. Diese Atemtechnik sollte zunächst im Schritt und in sicherer Umgebung geübt werden, am besten, wenn jemand das Pferd führt. Denn dann kann man sich ganz auf das Atmen konzentrieren. Ein weiterer Vorteil dieser Übung: Nicht nur die Muskeln entspannen sich, sondern auch der Kopf, der sich voll auf das Zählen konzentriert.
- Singen. Viele Reiter vergessen beim konzentrierten Arbeiten mit dem Pferd schlicht und einfach das Atmen. Dagegen kann singen helfen. Niemand muss lautstark auf dem Pferd den neuesten Song der Lieblingsband trällern, auch ganz leises singen hilft. Denn: Beim Singen und Summen muss geatmet werden.
- Atempausen. Kurze Pausen, die regelmäßig eingebaut werden, tun nicht nur dem Pferd gut, sondern auch dem Reiter. Denn der kann endlich bewusst und tief durchatmen und die Verspannungen lösen.
Weitere tolle Tipps zum Atmen findest du in meinem absoluten Lieblingsreitbuch Centered Riding – Reiten aus der Körpermitte. Dieses Buch (insbesondere der erste Band) war ein absoluter Wendepunkt in meinem Reiterleben. Sehr viele Gedanken daraus spielen auch beim PHYSIO-RIDING® eine wichtige Rolle.
Ebenfalls zu empfehlen sind die Bücher Biomechanik des Reiters von Mary Wanless (auch hier spielt das Centered Riding eine wichtige Rolle)
- Swift, Sally(Autor)
Das Atmen in den Alltag einbauen
Übrigens: Tiefe Bauchatmung können wir auch unabhängig von unseren Pferden im Alltag üben. Und je mehr wir uns auf unseren Bauch konzentrieren, desto leichter fällt es uns, ihn zu fühlen und zu lockern. Beim Yoga zum Beispiel spielt die Atmung eine wichtige Rolle. Außerdem ist Yoga ein toller Sport für und Reiter. Wir können durch die Atmung lernen, selbst in hektischen Situationen ruhig gelassen zu sein. Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch unsere Pferde.
Wie ist es bei dir mit der Atmung, achtest du darauf und setzt du sie bewusst ein beim Reiten? Erzähl es mir gern!
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Rezension: Reiten aus der Körpermitte
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13 Kommentare zu „So hilft dir die richtige Atmung beim Reiten“
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