Vestibuläre System Gleichgewichtssinn Pferd

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Das vestibuläre System beim Pferd: Hilfe bei Gleichgewichtsproblemen

Stolpert dein Pferd häufig, drängt es immer wieder zu einer Seite oder ist triebig? Dann kann es sein, dass es Probleme mit seiner Körperwahrnehmung, insbesondere mit dem vestibulären System, dem Gleichgewichtsinn, hat. Wie sich Gleichgewichtsprobleme bei Pferden auswirken, was du tun kannst, um das vestibuläre System zu stärken und wie dir Pferdeergotherapie dabei helfen kann, erfährst du in diesem Beitrag.

Dieser Beitrag enthält Werbung, denn er entstand in Zusammenarbeit mit der PFERGO Akademie, bei der ich meine Ausbildung zur Pferdeergotherapeutin absolviert habe.

Aufgabe und Funktion des Gleichgewichtssystems

Das Gleichgewichtssystem ist wichtig für einen natürlichen Bewegungsablauf – und das sowohl bei uns Menschen, wie auch bei den Pferden. Würde es uns fehlen, könnten wir weder gerade sitzen, noch einen Schritt vor den anderen setzen. Ähnlich erginge es auch unseren Pferden.

Das vestibuläre System gehört, gemeinsam mit dem taktilen System (Wahrnehmung der Oberflächensensibilität) und dem propriozeptiven System (Tiefensensibilität), zu den Basissinnen des Pferdes. Findet bei einem dieser Basissinne die Verarbeitung von  Reizen nicht entsprechend statt, entstehen Probleme bei der Wahrnehmungsverarbeitung: Das Pferd kann seinen Körper nicht mehr gut wahrnehmen und es kann zu Defiziten im Bereich Durchlässigkeit, Koordination und Balance kommen. Mögliche Folgen sind Rittigkeitsprobleme oder Verhaltensauffälligkeiten wie Schreckhaftigkeit oder soziale Unverträglichkeit.

Der Gleichgewichtssinn gehört zu den Basissinnen. Diese Sinne werden als erstes ausgebildet – und zwar bereits im Bauch der Mutter.

Der Gleichgewichtssinn hängt eng mit der Bewegung zusammen, denn jede Bewegung löst einen vestibulären Reiz aus. Bewegt sich die Stute während der Trächtigkeit viel, kann sich auch der Gleichgewichtssinn ihres Fohlens gut entwickeln.

Und gleich nach der Geburt, sobald das kleine Fohlen seinen Kopf hebt und versucht aufzustehen, wird der Gleichgewichtssinn stimuliert und geschult. Alles, was danach an Bewegung hinzukommt – die Beine koordinieren, sich aufrichten, laufen, stoppen, fressen – trainiert und schult das Gleichgewicht. Das Fohlen lernt, mit der Schwerkraft umzugehen und den Körper im Gleichgewicht zu halten. Je mehr sich ein Fohlen gleich zu Beginn bewegen kann, je mehr wird auch das Gleichgewicht geschult.

Wichtig: Gleichgewicht ist nicht gleichzusetzen mit Balance. Wenn davon gesprochen wird, dass das Pferd nicht in Balance oder schief ist und geradegerichtet werden muss, geht es nicht um den Gleichgewichtssinn. Diesem wird eigentlich kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Balance bezieht sich in diesem Zusammenhang auf eine koordinative Fähigkeit: Balancefähigkeit ist die Fähigkeit, den gesamten Körper im Gleichgewicht zu halten oder während und nach umfangreichen Körperverlagerungen das Gleichgewicht zu behalten oder wiederherzustellen. Darüber liest du hier mehr.

Der Gleichgewichtssinn dient als Grundlage für die gesamte weitere Entwicklung. Ein guter Gleichgewichtssinn hilft Pferden dabei, sich freier und besser zu bewegen. Und je mehr ein Pferd im Gleichgewicht ist, desto gelassener ist es. Denn ohne Gleichgewicht fällt die Flucht schwer – und das bedeutet für ein Fluchttier Stress!

Zu den generellen Aufgaben des vestibulären Systems gehört:

  • die räumliche Orientierung
  • die Blickfeldstabilisierung und Augenbewegung
  • die Informationsweiterleitung über das Einwirken von Beschleunigungskräften
  • die Koordination von Bewegungsabläufen
  • die Stabilisierung der Körperhaltung, beispielsweise die Position des Kopfes

Bei Pferden steuert das vestibuläre System beispielsweise neben der Position des Kopfes auch die Haltungs- und Stellpositionen. Es ist daher wichtig für einen natürlichen, koordinierten Bewegungsablauf. Durch die Verbindung des Gleichgewichtsorgans mit den Augenmuskeln wird die visuelle Wahrnehmung eines stabilen Bildes bei Kopfbewegungen ermöglicht.  

Der Gleichgewichtssinn beim Pferd

Ein kleiner Einblick in Anatomie und Funktion:
das peripher-vestibuläre System

Zum vestibulären System gehören das peripher-vestibuläre System (Vestibularorgan) im Innenohr des Pferdes sowie das zentral-vestibuläre System, das sich im Gehirn befindet.

Das Vestibularorgan liegt im Innenohr am Felsenbein (er gehört zu den härtesten Knochen überhaupt). Das Vestibularorgan bildet eine anatomische Einheit mit dem Hörorgan. Es besteht aus einem knöchernen und einem häutigen Labyrinth und aus dem sogenannten Otolithen Apparat, dem Sacculus (Schwerkraft – hoch und runter) und dem Utriculus (lineare Beschleunigung) und drei Bogengängen (anterior, posterior und horizontaler Bogengang). Die Bogengänge stehen senkrecht zueinander. Sie messen Winkelbeschleunigung (Richtung und Ausmaß der Bewegung), Gravitationskräfte und Linearbeschleunigung. Durch die Anordnung im 90°-Winkel können die Bogengänge alle Ebenen (Höhe, Tiefe, Breite) im Raum erfassen.

Die wahrgenommenen vestibulären Reize werden in elektrische Impulse, sogenannte Aktionspotenziale, umgewandelt und über den Nervus vestibulocochleraris an das zentral-vestibuläre System und die Vestibulariskerne im Hirnstamm weitergeleitet. Diese Nervenkerne erhalten neben den Informationen der beiden Vestibularorgane außerdem noch Informationen von den Augen, dem taktilen und dem propriozeptiven sowie dem auditiven System (wobei das visuelle und das auditive System keine Basissinne darstellen).

Alle eingehenden Informationen werden sortiert, geordnet und mit anderen vorliegenden Informationen und Erfahrungswerten verknüpft. Vereinfacht gesagt: Es wird gelernt. Anschließend werden entsprechende Befehle an die ausführenden Organe, das heißt an die Muskeln, die Vestibularorgane und die Augen, weitergegeben und von diesen verarbeitet. Es entsteht eine Bewegung, die einen neuen Reiz hervorruft, der erneut wahrgenommen und weitergeleitet wird. Dies wird als Gleichgewichtskreislauf bezeichnet.

Mehr über das Thema Balance und Gleichgewicht, propriozeptive und vestibuläre Reize, lernst du auch in meinem Onlinekurs Mehr Balance mit kreativer Bodenarbeit.

Wenn das Gleichgewicht Schwierigkeiten macht: Fehler erkennen

Manchmal stellt sich die Reizverarbeitung im vestibulären System als nicht ganz passend dar und viel zu oft wird dem Gleichgewichtsproblem keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Auch mir war lange nicht klar, was es damit auf sich hat und welche Bedeutung es für unsere Pferde hat. Ich habe mich erst im Zusammenhang meiner Ausbildung zur Ergotherapeutin für Pferde bei der PFERGO-Akademie damit auseinandergesetzt.

Gibt es Defizite bei der Reizverarbeitung im vestibulären System, gerät man aus dem Gleichgewicht. Vom Menschen weiß man: Im schlimmsten Fall fühlt es sich so an, als wäre man betrunken. Alles dreht sich und schaukelt, einem ist schwindelig und man verspürt Übelkeit. Oder man hat Schwierigkeiten Treppe zu steigen, auf einem Bein zu stehen, als Beifahrer in einem Auto mitzufahren oder z.B. über einen schmalen Balken zu balancieren.

Was Pferde empfinden, wissen wir nicht. Was man aber weiß: Wenn das Gleichgewichtssystem des Pferdes nicht entsprechend verknüpft ist, zeigt sich das vor allem in der Bewegung. Das Pferd läuft unsicher, es ist möglicherweise sehr triebig oder es eilt und läuft so vor seiner Unsicherheit weg. Es stolpert, drängelt ständig auf eine Seite oder hat Schwierigkeiten über unterschiedliche Untergründe zu laufen.

Doch das ist nicht alles: Das vestibuläre System ist ein Basissinn unserer Pferde. Arbeitet es nicht adäquat, ist auch die Körperwahrnehmung des Pferdes defizitär und Sinneseindrücke können nicht ausreichend verarbeitet werden. Daraus entstehen im schlimmsten Fall Verhaltensweisen, die vom Reiter als „Unart“ betrachtet und zu unrecht bestraft werden.

Den Gleichgewichtssinn des Pferdes fördern

Das Gleichgewichtssystem lässt sich aber stärken. Je mehr Bewegungsanreize ein Pferd erhält, desto mehr wird der Gleichgewichtssinn gefördert. Das fängt schon bei der Pferdehaltung an: So wird das Gleichgewicht eines Pferdes, das im Offenstall mit großem Paddock und vielleicht sogar einem Trail und in einer Herde lebt, immer besser sein, als das Gleichgewicht eines Pferdes, das in der Box stehen muss. Im Offenstall gibt es nämlich sehr viel mehr  natürliche Bewegungsanreize. Und je kreativer der Paddock gestaltet ist, desto mehr Bewegungsanreize gibt es. Tolle Ideen zur Paddockgestaltung findest du hier und in meinem eBook Pferdehaltung als Selbstversorger.

Darüber hinaus kann das Gleichgewicht auch im Training vom Boden aus und unter dem Sattel geschult werden. Helfen das vestibuläre System beim Pferd zu fördern kann beispielsweise:

Ebenso können dir PFERGO-Pferdeergotherapeuten dabei helfen, das vestibuläre System des Pferdes zu trainieren. Sie schulen die Basissinne der Pferde mit Übungen nach ergotherapeutischen Grundsätzen und sorgen auf diese Weise dafür, dass Pferde ihre Körperwahrnehmung verbessern.

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wirf doch mal einen Blick auf die Homepage von PFERGO – 1. Akademie für Pferdeergotherapie. Die Initiatorinnen der PFERGO-Akademie für Pferdeergotherapie, Dr. Ruth Katzenberger-Schmelcher und Yvonne Katzenberger, bieten auch Kurse an. Weitere Informationen findest du auch hier beim Team Shettysport.

Wenn du selbst mehr über das Thema erfahren und dein Pferd entsprechend trainieren möchtest, können dir vielleicht meine Onlinekurse Pferdetraining mit instabilen Untergründen oder Sensomotorisches Pferdetraining helfen. Außerdem empfehle ich dir mein Buch „Sensomotorisches Pferdetraining“.

Hast du mit dem Thema vestibuläres System schon einmal zu tun gehabt? Oder hat dein Pferd womöglich Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht? Dann erzähl mir gern in den Kommentaren davon.

Onlinekurs Sensomotorisches Pferdetraining

Sensomotorisches Training bedeutet, dass du auch die Sinnessysteme und das Gehirn in dein Training einbeziehst, um das Zusammenspiel von Gehirn, Nervensystem und Muskeln zu verbessern. Dies sorgt am Ende für eine bessere Koordination zwischen unterschiedlichen Muskeln bzw. innerhalb eines einzelnen Muskels, für ein besseres Körpergefühl des Pferdes, für mehr Stabilität und für verbesserte Bewegungsabläufe.

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4 Kommentare zu „Das vestibuläre System beim Pferd: Hilfe bei Gleichgewichtsproblemen“

  1. Mein Pferd (Wallach 23) läuft manchmal wie betrunken, kippt mit der Hinterhand fast um, geht unsicher und stolpert viel.
    Wie kann ich feststellen, ob es ein Problem mit dem Gleichgewicht gibt?
    Er will auch dauernd in den Ohren gekrallt werden.

    1. Hallo Astrid,

      aus der Ferne kann niemand eine Diagnose stellen, hier wäre es hilfreich, wenn du dir einen Therapeuten vor Ort suchst.

      Was du erzählst kann auch in Richtung Borreliose oder Ataxie gehen. Das solltest du von einem Tierarzt untersuchen lassen.

      Grundsätzlich sind die von die genannten Probleme aber durchaus Probleme, die das Gleichgewicht betreffen. Doch bevor keine konkrete Diagnose steht, ist es schwer, Tipps zu geben.

      Alles Gute euch!

  2. Hallo,mein Pferd hat mich darauf gebracht ,da er im Hänger bei Kurven fast umfällt im Training sehr Trübung ist und ich das Gefühl hab er kann seine Vorderbeine manchmal nicht so richtig sortieren.Lg

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