Anatomie des Pferdes Was der Reiter wissen muss

Hinweis: Alle erstellten Inhalte und Werke auf dieser Seite unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung bedürfen meiner schriftlichen Zustimmung. Dies gilt auch für Instagram! Eine schriftliche Genehmigung kann über die angegebene E-Mail-Adresse gerne eingeholt werden kann, Anderweitig ist das Verbreiten der Inhalte ausdrücklich untersagt.  Entsprechende rechtliche Konsequenzen bei Zuwiderhandlung sind vorbehalten.

Anatomie des Pferdes: Diese Punkte solltest du als Reiter wissen!

Unsere Pferde gesund erhalten – das wollen wir alle. Doch nicht jeder weiß, dass Pferde gar keine Reittiere sind. Sie sind Lauftiere und wir Menschen nutzen sie seit vielen tausend Jahren als Reittiere. Das ist auch ok – solange wir darauf achten, dass unsere Pferde durch unsere Freude am Reiten keinen Schaden nehmen. Was du als Reiter zur Anatomie des Pferdes wissen musst, um dein Pferd gesunderhaltend trainieren zu können, verrate ich dir in diesem Beitrag.

Bevor du jetzt aussteigst, weil du denkst, dass das, was folgt, ein tiermedizinisches Studium voraussetzt, verspreche ich dir, dass das nicht so ist! Ich erzähle dir einfach ein paar wichtige Facts zur Anatomie des Pferdes, die du als Reiter wissen solltest.

Kennst du den größten Unterschied zwischen Vorhand und Hinterhand deines Pferdes?

Wenn du dich in den Vierfüßlerstand begibst und dich dabei auf die Spitzen deines mittleren Zehs und deines Mittelfingers stellst, hast du quasi die gleiche Köperhaltung, die dein Pferd hat.

Zwischen dem Rumpf deines Pferdes und seiner Hinterhand gibt es eine knöcherne Verbindung – genau wie bei dir. Die Vorhand dagegen ist nur muskulär mit dem Rumpf verbunden. Pferde haben nämlich kein Schlüsselbein – das ist der wohl größte anatomische Unterschied zu uns Menschen.

Theoretisch könntest du die Vorderbeine deines Pferdes also unter der Schulter mit einem scharfen Messer vom Rest des Körpers abtrennen.

Warum ich dir das erzähle? Weil ich es so wichtig finde, sich darüber bewusst zu sein und im Training darauf einzugehen.

M. serratus ventralis: wichtigster Muskel des Rumpftrageapparats

Der wohl wichtigste Muskel, der (bildlich gesprochen) die Vorhand an den Körper klebt, ist der M. serratus ventralis. Er ist der wichtigste Muskel des sogenannten Rumpftrageapparats und zieht sich fächerförmig zwischen Brustkorb und Schulterblatt bis zur Halswirbelsäule. Neben seiner Aufgabe als Rumpfträger und -heber stabilisiert er das Schulterblatt in der Bewegung und dient als Stoßdämpfer der Vorhand. Ein lautes Auffußen der Vorderhufe kann für dich ein Indiz sein, dass der Stoßdämpfer deines Pferdes nicht (mehr) adäquat funktioniert.

Ist dieser Muskel nicht kräftig genug, um seine Aufgaben zu erfüllen, geht die ganze Energie auf die Vorderbeine deines Pferdes. Dies führt zu einer Überlastung der Gliedmaßen und am Ende beispielsweise zu Sehnenschäden oder Hufrollenproblematiken. Auch das Thema Trageerschöpfung, das derzeit immer wieder diskutiert wird, hängt stark mit einem nicht ausreichend kräftigen Rumpftrageapparat zusammen.

Außerdem werden andere Muskelbereiche überlastet und verspannen. Es kommt also zu einer Kette ungesunder Muskelarbeit und damit einhergehend ungesunder Bewegungsmuster.

Die Gangart, die den M. serratus ventralis schonend kräftigt, ist übrigens der Trab. Noch effektiver wäre zwar Galopptraining, hier ist aber gleichzeitig auch die Belastung zu hoch. Außerdem solltest du beim Training grundsätzlich darauf achten, dass dein Pferd von der Vorhand wegkommt. Außerdem liebe ich zur Stärkung des Rumpftrageapparats das Training mit der Zweinbeinwippe und der Ganzkörperwippe.

Tipp: Wenn auch auch du Lust aufs Wippen bekommen hast, sparst du mit dem Code KARO5 5% beim Kauf einer Rockers-Pferdewippe – hier geht’s zum Onlineshop!

Zum Thema Vorhandlastigkeit empfehle ich dir meinen Text 👉 Läuft mein Pferd auf der Vorhand? Vorhandlastigkeit erkennen und richtig trainieren.

Zusammenhang von Hinterhand und Rücken: Warum eine aktive Hinterhand so wichtig ist

Im Unterschied zur Vorhand besteht zwischen dem Rumpf des Pferdes und der Hinterhand eine knöcherne Verbindung. Das Becken ist nämlich über das Kreuzbein fest mit der Lendenwirbelsäule verbunden. Dies ist auch der Grund, warum immer wieder auf der aktiven Hinterhand herumgeritten wird. Tritt dein Pferd gut unter den Schwerpunkt und kippt dabei sein Becken ab, wird automatisch die Lendenwirbelsäule aufgewölbt.

Außerdem bilden die verschiedenen Muskeln, die sich an der Oberseite deines Pferdes befinden, vom Hals bis zum Schweif eine Muskelkette. Dazu kommen noch das Nacken-Rückenband und die Faszien.

Tritt dein Pferd unter den Schwerpunkt und kippt sein Becken ab, kommt automatisch Zug auf diese Kette und sorgt so für die Aufrichtung vorn. Dein Pferd richtet sich also (idealerweise) selbst auf. Aufrichtung muss (und soll) nicht über deine Hand erfolgen.

Schwachstelle: Lendenwirbelsäule

Wo wir bei der Lendenwirbelsäule sind: Diese ist eine echte Schwachstelle beim Pferd. Während die Brustwirbelsäule, auf der wir Reiter sitzen, durch die Rippen und das Brustbein Stabilität bekommen, fehlt der Lendenwirbelsäule diese Stabilität. Außerdem setzen an der Lendenwirbelsäule die Bauchmuskeln an, die die Eingeweide deines Pferdes tragen. Somit lastet auf dem empfindlichen Lendenbereich ohne unser Zutun schon jede Menge Gewicht.

Wenn nun dein Sattel zu lang ist und dein Schwerpunkt womöglich zu weit hinten, belastest du die Lendenwirbelsäule zusätzlich. In dem Fall wird dein Pferd vermutlich wenig Freude empfinden, mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt zu fußen und durch das Abkippen des Beckens den Lendenbereich aufzuwölben, weil dies für dein Pferd sehr unangenehm sein kann. Typische Folgen sind muskuläre Verspannungen, die sich, wie du gleich erfahren wirst, unter anderem über den breiten Rückenmuskel bis zur Vorhand ziehen können).

Doch nicht nur ein zu langer Sattel oder ein unpassender Schwerpunkt verhindern das Aufwölben der Lendenwirbelsäule und das Abkippen des Beckens, sondern auch feste Muskeln.

Die Muskeln des Pferdes: das solltest du wissen!

Muskeln arbeiten paarweise als Agonist und Antagonist. Ein Muskel zieht sich zusammen, der Gegenspieler wird gedehnt. Auf diese Weise entsteht Bewegung.

Über gesunde Muskelarbeit habe ich bereits einen umfangreichen Text geschrieben, den du hier findest: Muskelprobleme beim Pferd: Tipps für eine gesunde Muskelarbeit

Der lange Rückenmuskel trägt dich nicht

Die Rückenmuskeln, insbesondere der bekannte lange Rückenmuskel M. longissimus dorsi (der übrigens am Hals ansetzt und bis zur Hinterhand reicht), sind keine Trage, sondern Bewegungsmuskeln. Der lange Rückenmuskel bietet der Wirbelsäule zwar Stabilität, er trägt aber nicht dein Reitergewicht. Dies machen vor allem die Bauchmuskeln.

Bauchmuskeln tragen vorrangig dein Gewicht

Vereinfacht gesagt: Wenn sie kontrahieren (wenn das Hinterbein nach vorn geht), kommt der Rücken hoch.

Das ist genau wie bei uns Menschen und du kannst das gern nachprüfen, indem du in den Vierfüßler gehst: Kippst du dein Becken ab, wird die Lendenwirbelsäule aufgewölbt. Und wenn du darauf achtest, mit welchen Muskeln du diese Bewegung primär erzeugst, dann sind das nicht die Rücken-, Po- oder Beinmuskeln, sondern deine Bauchmuskeln.

Zum Weiterlesen: Bauchmuskeltraining fürs Pferd: So stärkst du den Pferderücken

Sind die Bauchmuskeln fest und verspannt, was gerne bei Pferden mit Atemwegsproblemen oder Pferden, die mit Sporen traktiert werden, der Fall ist, wird der Rücken in ein Hohlkreuz gezogen. Denn durch den Anknüpfungspunkt im Lendenbereich, kann hier kein Aufwölben mehr stattfinden. Besteht dieses Problem längere Zeit, kann ein Senkrücken entstehen.

Dir gefällt was du hier liest?

Vorschau kostenlose Onlinebibliothek

Dann trag dich auf meiner E-Mailliste ein. Als Dankeschön bekommst du Zugang zu meiner Online-Bibliothek.

Du sitzt auf dem breiten Rückenmuskel

Ein weiterer Muskel, der für dich von Bedeutung ist, ist der breite Rückenmuskel, der M. latissimus dorsi. Auf ihm sitzt du nämlich. Der breite Rückenmuskel setzt ebenfalls im Lendenbereich an – genauer: seine Ursprungssehen entspricht der Lenden-Rücken- Faszie. Ist dein Sattelgurt zu fest, klammerst du mit deinen Beinen oder sitzt du generell sehr steif, beeinträchtigst du den Latissimus negativ.

Die Hauptaufgabe dieses Muskels ist das Zurückführen der Vorderbeine. Im Umkehrschluss heißt das: Ist der Latissimus fest, wirkt sich das nicht nur auf den Lendenbereich und somit auf die Hinterhand aus, denn dein Pferd kann bei einem verspannten Latissimus sein Vorderbein nicht raumgreifend nach vorn schwingen lassen und die Bewegungsfreiheit geht verloren.

Ein fester Unterhalsmuskel wirkt bis zur Lende

Für das Vorführen der Vorderbeine ist übrigens der große Unterhalsmuskel zuständig, der M. brachiocephalicus. Er zieht das Bein nach vorn, der Latissismus zieht es nach hinten. Diese beiden Muskeln arbeiten also paarweise als Agonist und Antagonist zusammen.

Bei Pferden, die nicht über den Rücken gehen, sondern den Rücken wegdrücken, ist der Unterhalsmuskel gern sehr präsent. Auch bei Pferden, die viel Stress haben und im Fluchtmodus sind (Fluchtmodus heißt meistens: Kopf hoch).

Weil die Muskeln deines Pferdes alle funktional miteinander verbunden sind über Muskelketten und die Faszien, beeinträchtigt somit ein fester Unterhalsmuskel als Gegenspieler des breiten Rückenmuskels auch die Rückentätigkeit und die Hinterhandaktivität.

Anatomie Zusammenhänge Pferd

Sehnen- und Hufrollenproblematiken als Folge ungesunder Bewegungsmuster

Falls dir nun der Kopf schwirrt und du sagst „puh, das ist aber ganz schön komplex“, möchte ich dir sagen: Du musst dies alles gar nicht so detailliert wissen. Du musst aber wissen, dass sämtliche Körperstrukturen in einem sehr engen Verhältnis zueinanderstehen und dass zum Beispiel ein muskuläres Problem im vorderen Bereich immer auch Folgen im hinteren Teil des Pferdekörpers nach sich zieht und umgekehrt. Dort, wo ein Problem zu sehen ist, ist nicht immer unbedingt auch die Ursache zu finden.

Ein Praxisbeispiel: Die Ursache für Sehnen- oder Hufrollenproblematiken im Bereich der Vorhand ist nicht unbedingt beim betroffenen Bein zu finden, sondern im viel weiter oben. Die Stoßdämpferfunktion des Rumpftrageapparats funktioniert beispielweise nicht einwandfrei und die Energie geht direkt auf die Vorderbeine und belastet die Gelenke und die Strukturen. Häufig läuft ein Pferd auf der Vorhand, hat mehr Schub- als Tragkraft, kippt aufgrund muskulärer und/oder faszialer Verspannungen sein Becken nicht richtig ab usw.

Wenn dich diese Zusammenhänge interessieren und du mehr dazu wissen möchtest, empfehle ich dir meinen Onlinekurs Rückenfitte Pferde. Darin erkläre ich dir die wichtigsten Facts zur Anatomie und Biomechanik, zeige dir verschiedene Massagetechniken, mit denen du feste Muskeln lösen kannst und gebe dir zahlreiche Übungsideen an die Hand, mit denen du die verschiedenen Muskeln und Körperbereiche deines Pferdes vom Boden aus kräftigen kannst. Selbstverständlich kannst du alle Übungen auch beim Reiten umsetzen. Dank der Kommentarfunktion der Kursplattform und einer exklusiven Facebookgruppe hast du zudem jederzeit die Möglichkeit, individuelle Fragen zu stellen. Auf diese Weise kann ich dich und dein Pferd in eurem Training trotz Onlinekurs persönlicher unterstützen.

Cover Onlinekurs Rückenfitte Pferde

Mit dem Onlinekurs „Rückenfitte Pferde“ bekommst du ein grundlegendes Verständnis für gesunderhaltendes Pferdetraining sowie Einblicke in Anatomie und Biomechanik und du erfährst, wie du dein Pferd rückenfit trainieren kannst und worauf es dabei wirklich ankommt.

Darüber hinaus biete ich auch richtige Kurse live bei dir vor Ort an. Diese sind zu verschiedenen Themen möglich. Infos zu meinem Kursangebot findest du hier.

Die wichtigsten Punkte noch einmal zusammengefasst:

  • Die Vorhand ist nur muskulär mit dem Pferdekörper verbunden.
  • Dein Pferd braucht einen gut ausgebildeten Rumpftrageapparat als Schutz vor einer Überlastung der vorderen Gliedmaßen.
  • Das Becken ist knöchern mit der Wirbelsäule verbunden.
  • Eine aktive Hinterhand sorgt dank der knöchernen Verbindung für ein Aufwölben der Wirbelsäule.
  • Die Lendenwirbelsäule ist so empfindlich, weil sie keine Stabilität durch andere knöcherne Strukturen besitzt.
  • Die Rückenmuskeln sind keine Tragemuskeln, es sind Bewegungsmuskeln.
  • Getragen wird dein Reitergewicht vornehmlich von den Bauchmuskeln.
  • Muskuläre Verspannungen in einzelnen Bereichen wirken sich aufgrund der Muskelketten und Faszien auf die gesamte Bewegung deines Pferdes aus.
  • Ein drückender Sattel, ein steifer Reiter oder ein zu enger/zu kurzer Sattelgurt können die Rückentätigkeit negativ beeinträchtigen.

Zum Schluss noch ein paar Literaturtipps*

Nun bin ich neugierig: Hattest du einen AHA-Effekt und konntest etwas Neues lernen? Sind dir die körperlichen Zusammenhänge immer so klar?

Hat dir dieser Beitrag gefallen?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 17

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lass uns diesen Beitrag verbessern!

Wie kann ich diesen Beitrag verbessern?

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Entdecke mein Buch „Sensomotorisches Pferdetraining“

Über meine Art des sensomotorischen Trainings habe ich ein Buch geschrieben, das im März 2024 bei Cadmos erscheint!

 

Dir gefällt was du hier liest?

Vorschau kostenlose Onlinebibliothek

Dann trag dich auf meiner E-Mailliste ein. Als Dankeschön bekommst du Zugang zu meiner Online-Bibliothek.

Nach oben scrollen

Whoop! Whoop! Ich habe ein Buch geschrieben! 

Es heißt  Sensomotorisches Pferdetraining: Mit Leichtigkeit und Freude zu einem besseren Körpergefühl und ist im Cadmos Verlag erschienen!