„Optimales Bewegungslernen verlangt eine optimale Bewegungsvorstellung.“ Diesen Satz hab ich in einem Buch über Koordinationstherapie, geschrieben von Ulla Häfelinger und Violetta Schuba, gelesen. Und er passt so wunderbar zu meiner Art des Sensomotoriktrainings für Pferde, bei dem ich alle Sinne mit einbeziehe. Warum auch du mit deinem Pferd spielen solltest und welche Vorteile dieses Freispiel bietet, möchte ich dir hier erzählen.
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Wir Menschen sind kognitiv in der Lage, uns eine Bewegung vorzustellen. Nicht ohne Grund sind Centered Riding, Reiten mit Feldenkrais oder die Alexandertechnik, also Reitweisen, wo sehr viel mit Bewegungsvorstellungen gearbeitet wird, so wahnsinnig effektiv. Allein durch den Gedanken an eine bestimmte Bewegung werden neurologische und muskuläre Prozesse in Gang gesetzt.
Beispiel: Stell dir vor, du wärst eine Marionette und an deinem Kopf ist ein Bindfaden angebracht, an dem du nach oben gezogen wirst. Na, wirst du automatisch schon größer und richtest dich auf?
Pferde sind dazu nicht in der Lage. Wir können ihnen nicht sagen, sie sollen sich vorstellen sie seien ein Pegasus mit Flügeln und schon fangen sie an, mit der Hinterhand Last aufzunehmen und ihren Rücken aufzuwölben.
Natürlich können wir ihnen ein bestimmtes Gefühl vermitteln. Aber darum geht es an dieser Stelle nicht. Es geht mir um die ausgeführten Bewegungen. Und diese Bewegungen sorgen natürlich für Emotionen und vielleicht fühlt sich dein Pferd durch seine Art sich zu bewegen ja wirklich wie ein Pegasus mit Flügeln. Wenn ich mir zum Beispiel die Entwicklung von Sleipi anschaue, denk ich das oft. Bzw. nein: Ich denke etwas anderes: Sleipi heißt eigentlich Sleipnir. Aber er wirkte auf mich nie so wie Odins achtbeiniges Pferd. Er war eher ein Sleipi-Wutzi. Aber so, wie er sich mittlerweile bewegen kann, sehe ich in ihm immer öfter einen Sleipnir.
Gezielte Übungen zur Verbesserung des Körpergefühls
Wir können unseren Pferden mit gezielten Übungen dabei helfen, ihren Körper besser wahrzunehmen und ihn entsprechend besser einzusetzen.
Nutze ich beispielsweise dicht hintereinander liegende Stangen, sodass mein Pferd große Schritte machen und mit seiner Hinterhand stärker untertreten muss, gebe ich ihm eine Idee davon, was für Bewegungen mit der Hinterhand möglich sind. Verstärken kann ich den Effekt möglicherweise noch mit gezielten taktilen Reizen, beispielsweise mit einem Körperband, mit Berührungen oder ähnlichem. Ich kann mein Pferd auf diese Weise dazu bringen vermehrt unter den Schwerpunkt zu treten, ohne dass ich in irgendeiner Art und Weise Druck anwenden und die Muskulatur beeinträchtige (wie ich es beim Reiten zum Beispiel mit dem treibenden Schenkel tu).
Auch das positiv verstärkte Freispiel schätze ich in diesem Zusammenhang sehr – anders als beim eben genannten Beispiel kann ich hier allerdings nur auf Erfahrungswerte mit meinem eigenen Pferd zurückgreifen und dir nur von mir und meinem Pferd und nicht von den Erfahrungswerten anderer Pferde berichten. Dies liegt daran, dass ich im Unterricht und auf Kursen nur sehr, sehr selten auf Clickerpferde treffe.
An dieser Stelle kann ich aber sagen, dass Sleipi in unseren Spielsequenzen absolut über sich hinauswächst und Bewegungen zeigt, die er sonst nicht zeigt und auch nicht zeigen würde. „Repetition without repetition“ spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Mein Pferd bekommt auf diese Art zahlreiche Vorstellungen von einer Bewegung, es kann sich ausprobieren und Bewegungserfahrung sammeln. Auf diesen Erfahrungsschatz kann es dann – bewusst und unbewusst – im klassischen Training immer wieder zurückgreifen.
Hier siehst du zum Beispiel, wie Sleipi auf einer Matte steigt. Steigen ist etwas, was er vor wenigen Jahren nicht mal Ansatzweise gemacht geschweige denn gekonnt hat:
Freispiel mit Pferd: Motorik, Koordination und soziale Aktivität
Spielen, insbesondere das positiv verstärkte Freispiel, bringt also nicht nur Spaß, sondern besitzt einen effektiven und nachhaltigen Trainingseffekt. Denn die Bewegungserfahrungen, die das Pferd hier im Spiel sammelt, sind geprägt „durch motorische und koordinative Leistung und soziale Aktivität“, heißt es bei Ulla Häfelinger und Violetta Schuba in ihrem Buch „Koordinationstherapie“.
Koordinative Elemente, die du auch in dieser kleinen Frequenz im Video siehst, sind beispielsweise die Orientierungsfähigkeit, die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die Balancefähigkeit oder auch die Reaktionsfähigkeit. Dies liegt vor allem an den verschiedenen Bewegungsanforderungen, die das freie Spiel mit sich bringt: Dein Pferd muss sich motorisch spontan und gezielt auf neue Bewegungsanforderungen einstellen (Richtungs- und Tempowechsel, Stopp, usw.).
Wie motiviere ich mein Pferd zum Spielen?
Vielleicht fragst du dich an dieser Stelle: Wie bitte soll ich mein Pferd dazu bringen, mit mir zu spielen?
Dazu ein paar Gedanken.
Sleipi und ich haben eigentlich immer schon gespielt. Sleipi ist ein verspielter Pferde-Clown und wer ihn kennt, wird jetzt zustimmend nicken. Er hatte immer Freude daran, wenn ich mit einem Ball, mit Planen oder anderen Dingen um die Ecke kam. Neben dem positiv verstärkten Freispiel mit dem Clicker sind auch das Wippen und das Training mit instabilen Untergründen ein Spiel, das wir sehr, sehr gern spielen.
Aber – und dieses ABER ist ein sehr lautes – er würde mit mir nicht spielen, würde ich all das nicht positiv verstärken.
Das Training mit positiver Verstärkung mittels Clicker und Futterlob erhöht die Motivation des Pferdes enorm mitzumachen und sich anzustrengen. Ich denke du kannst in den beiden Videos gut erkennen, dass mein Pferd ziemlich viel Energie in seine Bewegungen steckt.
Ein Fluchttier, das von Natur aus ein Energiesparer ist, macht sowas nicht „aus Jux und Tollerei“
Es macht am Ende aus zwei Gründen mit:
1. weil sich der Energieaufwand lohnt (positiv verstärkt) oder
2. weil es muss (negativ verstärkt).
Tipp: Hier findest du einen tollen Onlinekurs zum Thema Motivation*, den ich dir sehr empfehlen kann!
Unter dem Aspekt der „freudvollen Handlung“, der untrennbar mit dem Spiel verbunden ist, spreche ich mich hier ganz deutlich für die positive Verstärkung aus.
Training mit Futterlob? Das ist nichts für mich!
Ich weiß, dass viele Schwierigkeiten haben, mit Futterlob zu arbeiten. Vielleicht gehörst auch du dazu. Und ich kann das sehr, sehr gut nachvollziehen.
Auch ich stand an einem Punkt, an dem ich mich gefragt habe: Möchte ich mit Futterarbeiten, ja oder nein?
Zu dem Zeitpunkt habe ich schon einige Jahre gelickert. Aber nie so richtig und nie korrekt. Und deswegen hatte ich Pferd, dass ziemlich futterbeutelfixiert war und mir ständig den Spanischen Gruß um die Ohren gehauen hat in der Hoffnung, einen Keks zu ergattern. Da ich aber ziemlich angetan war von der Idee hinter Intrinzen und dem Project Proprius, gab es für meine andere Wahl.
Also habe ich MICH trainiert im clickern, um halbwegs entspannt mit Futter arbeiten zu können. Denn Clickertraining bringt oft mehr Motivation und eine andere Energie mit. Wenn du aber an der Höflichkeit arbeitest, wirst du KEIN futterbeutelfressendes Monster bekommen, das dir ständig seine Beine um die Ohren wirft um zu zeigen, es hat nun unbedingt einen Keks verdient.
Deswegen möchte ich dir sagen, dass du nicht einfach so herumexperimentieren solltest. Das kann bei vielen Pferden ziemlich nach hinten losgehen – vor allem, wenn du keine ruhigen Übungen verstärkst, sondern wirklich energievolle im Freispiel. Du solltest dir daher bewusst sein, was es bedeutet, mit Futterlob zu arbeiten und welches mächtige Tool du damit bedienst.
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Die Frage nach dem Futter als Belohnung beantworte ich auch auf Kursen und im Unterricht kommt sie immer wieder zur Sprache.
Viele Pferdebesitzer neigen dazu, ihre Pferde überschwänglich (mit Futter) zu loben, weil sie so begeistert sind, wie toll ihre Pferde die schwierigen Übungen mit Matte, Wippe und Co meistern.
Die Folge ist dann aber meist, dass die Pferde total abgelenkt sind und sich nur noch auf das Futter in der Jackentasche konzentrieren können. Die restlichen Übungen sind dann „gelaufen“.
Wenn Futterlob, dann konsequent!
Ich bin der Meinung, wenn mit Futter gearbeitet wird, dann muss es konsequent sein. Dein Pferd muss wissen, warum es diese besondere Belohnung bekommt. Und dieses Warum markiert der Clicker. Ist es für dein Pferd nicht klar, entsteht sehr häufig Stress. So wie ich es mit meinem Pferd erlebt habe.
An dieser Stelle möchte ich dir den wunderbaren 👉 Onlinekurs HOW TO CLICKER empfehlen, den du hier im Campus der Pferdeflüsterei* kaufen kannst. Dort lernst du die Clicker-Basics und bekommst verschiedene Übungen mit auf den Weg.
Außerdem empfehle ich dir mein 👉 Interview mit Nina Steigerwald zum Thema Fehler beim Clickertraining. Auch Nina hat Onlinekurse und besonders möchte ich dir ihre Aufzeichnung zum Thema 👉 Höflichkeit beim Clickertraining* ans Herz legen.
Aber lass uns noch einmal zurückkommen zum Freispiel mit Pferd: Neben den körperlichen Aspekten und den Bewegungserfahrungen, die ich so unglaublich schätze – und die natürlich nicht nur im intrinzeninspirierten Freispiel zum Tragen kommen, sondern auch beim Training mit dem Podest oder der Pferdewippe – mache und empfehle ich es aus einem weiteren wichtigen Grund: Es macht wahnsinnig viel mit dir, deinem Pferd und eurer Beziehung.
Wenn ich jetzt auf den Paddock komm, brummelt mich mein Pferd in der Regel an. Sowas hat es die zehn Jahre davor nicht gemacht. Und soll ich dir was sagen? Dieses Brummeln möchte ich nie mehr missen.
Übrigens: Das Thema Freispiel und intrinzeninspiriertes Training sind auch Themen meines Onlinekurses „Rückenfitte Pferde“, weil ich darin eine riesige Bereicherung für das Training sehe!
Mit dem Onlinekurs „Rückenfitte Pferde“ bekommst du ein grundlegendes Verständnis für gesunderhaltendes Pferdetraining sowie Einblicke in Anatomie und Biomechanik und du erfährst, wie du dein Pferd rückenfit trainieren kannst und worauf es dabei wirklich ankommt.
Erzähl doch mal, spielst du auch mit deinem Pferd?
Hier noch zwei wirklich sehr empfehlenswerte Bücher, die definitiv zu meinen Lieblingsbüchern in meinem Bücherregal gehören:
- Spilker, Imke (Autor)
- Dr. Rindermann, Dana (Autor)
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