Gangqualität Pferd gute Bewegung

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Gangqualität: Was sind gute Bewegungen beim Pferd?

Was macht eigentlich eine Bewegung zu einer guten Bewegung? Hast du dir diese Frage schon einmal gestellt? Was bedeutet gute Bewegungsqualität für dich? In diesem Beitrag möchte ich mit dir meine Gedanken zu dem Thema teilen.

So oft höre ich von guter Bewegung im Zusammenhang mit der Höhe der Beine. Gangpotential ist das Wort, das häufig fällt. Ein Islandpferd mit gutem Gangpotential zeigt in der Regel viel Vorhandaktion.

Aber ist das alles? Geht es nur um die Vorhand und die Hinterhand ist egal? Und hat ein Pferd, das von seiner Anatomie her nicht in der Lage ist eine enorme Vorhandaktion zu zeigen, keine gute Bewegung?

Schmeißende Beine und hohe Bewegungen = Gangqualität und gute Bewegung beim Pferd?

Heutzutage haben wir uns viel zu sehr an die schmeißenden Beine gewöhnt. Zumindest in der Islandpferdeszene, in der ich mich zu 90 Prozent bewege. Da werden Töltbilder in den sozialen Medien gefeiert, auf denen die Pferde vorne viel Aktion zeigen aber sich hinten nicht tragen können, einen hängenden Rücken und keinen Takt haben.

Hier habe ich dir schon einmal ein paar Gedanken zu dem Thema aufgeschrieben: Blickschulung Tölt – so bitte nicht

Oder Trabbilder. Mit viel Aktion, viel Schub- und wenig Tragkraft und vor allem mit wenig Rückentätigkeit. Der Reiter hoppelt verkrampft auf dem spannig-festen Pferderücken rum.

Häufig sieht man den Fotos auch an, dass da sehr viel „in Form pressen“ bei ist – vorne mit der Hand, Hinten mit Schenkel und Gerte.

Diese beiden Beispielbilder sind frei nutzbare Bilder, ich kenne weder Pferd noch Reiter und ich nutze sie, um dir zu zeigen, was ich meine:

Zwei in Form gepresste Pferde mit festem Rücken – links fehlt die Hinterhand, das Pferd ist total vorhandlastig, rechts sitzt der Reiter auf der Lende und der feste Rücken hängt

Für mich ist das keine schöne Bewegung.

Natürlich gibt es auch Pferde, die viel Raumgriff haben und sich dennoch gut tragen können, über den Rücken laufen, den Takt halten und den Reiter sitzen lassen. Das bestreite ich nicht. Aber es gibt eben auch die anderen Bilder – und von denen sehe ich sehr viele.

Vielleicht sage ich das jetzt auch nur, weil mein eigenes Islandpferd nach dieser Definition keine schöne Bewegung hat. Es ist ein sehr ursprünglicher Typ mit stabilen und eher kurzen Beinen, einem kurzen und eher dicken Hals, wenig Ganaschenfreiheit und einem langen Rücken. Er ist ein 3,5-Gänger, den Tölt habe ich nicht aktiv rausgeritten. Tölt fällt ihm aufgrund seines Körperbaus eher schwer. Manchmal frage ich ihn im Gelände ab und manchmal bekomm ich ihn auch. Doch wirklich locker-flockig läuft es nicht. Deswegen gibt es bei uns auch kein klassisches Tölttraining. Mein Pferd kann es nicht und es würde ihn somit körperlich und mental stressen.

Mein Pferd läuft dagegen die anderen Gangarten taktklar, zeigt Tempovarianzen, kann Form und Haltung verändern usw.

Über Stress im Pferdetraining und die Auswirkungen habe ich im Rahmen meiner Tätigkeit als freie Autorin für den Blog von Sportsfreund Studios einen ausführlichen Beitrag geschrieben, den ich dir an dieser Stelle empfehlen möchte, falls dich das Thema weitergehend interessiert: Sportsfreundliches Pferdetraining: mehr Verständnis, weniger Stress

Ich sehe aber nicht nur mein Pferd. In meinem Unterricht und in den Kursen und Workshops sehe ich ganz viele andere Islandpferde. Mit kurzen Rücken und langen Beinen, mit Tölt und Pass. Große Pferde, kleine Pferde. Und soll ich dir was sagen? Die wenigsten dieser Wald-und-Wiesenponys verfügen über das oben beschriebene Gangpotential. Das heißt aber nicht, dass sie sich schlecht bewegen – im Gegenteil! Es heißt nur, dass sie ihre Beine nicht so schmeißen können. Sie können aber für ihre Möglichkeiten eine sehr gute Bewegungsqualität haben.

Reizthema: Gangqualität und Hypermobilität

Im Zusammenhang mit dem so vermeintlichen Gangwunder gibt es einen Begriff, der in Reiterkreisen häufig sehr kritisch diskutiert wird: Hypermobilität. Wer ein betroffenes Pferd hat (und ich kenne einige Pferdebesitzer mit hypermobilen Pferden), der weiß: Das ist keine Spinnerei, wie oft behauptet wird. Über das Thema Hypermobilität beim Pferd habe ich ein ausführliches Interview mit Pferdephysiotherapeutin Ellen Wolff geführt. Darin sagt sie:

„Leider sind auch die Isländer (und andere Gangpferde) oft von der Hypermobilität betroffen, auch hier zählt das Gangvermögen: höher + weiter = besser. Die Isländer gelten aber nach wie vor als kleine robuste, starke Pferde, die problemlos einen Erwachsenen tragen können. Das ist leider heutzutage durch die Zucht in Richtung Bewegungswunder nicht mehr so. Denn die Stabilität geht zugunsten der Mobilität. Um aber einen Reiter tragen zu können, muss das Pferd stabil sein. Deshalb sehe ich die Entwicklung bei den Isländern sehr problematisch.“

Ich bin da voll bei Ellen und sehe diese übermäßige Vorhandaktion, die gemeinhin als gute Bewegung betitelt wird, ebenso kritisch.

Was ist denn dann gute Bewegung beim Pferd?

Das klassische Regelwerk betrachtet Bewegung mit der Skala der Ausbildung und bewertet nach Komponenten wie Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung.

Einiges sehe ich auch so, bei anderen Sachen ist es mir zu statisch. Für mich ist gute Bewegung beim Pferd viel mehr. Es ist mehr die Gesamtheit. Es geht um die Frage: Wie setzt ein Pferd seinen Körper ein?

Qualitativ hochwertige Bewegung ist für mich eine stabile, dynamische und gut koordinierte Bewegung, die leicht und gleichzeitig kraftvoll aussieht. Mit schnellen und guten Reaktionen und Balance. Und das unabhängig davon, ob das Pferd „mit seinen Haxen um sich schmeißt“. Es ist eine freie Bewegung mit viel Ausstrahlung und sichtbarer Bewegungsfreude. Spielende Pferde und Pferde, die übermütig über die Wiese bocken, zeigen sehr häufig eine gute Bewegung.

Nehmen wir das folgende Bild. Es stellt nur eine Momentaufnahme dar und das wenigste daran ist perfekt. Ich mag das Bild aber, denn ich sehe ein Pferd mit einer stabilen und dynamischen Bewegung. Ein Pferd, das ohne Zutun und in-Form-Pressen eine stolze Haltung zeigt.

Gute oder schlechte Bewegung beim Pferd
Was ist gute oder schlechte Bewegung beim Pferd für dich?

Hier siehst du ein weiteres Beispiel – mein absolutes Lieblingsbild aus meinem Buch Sensomotorisches Pferdetraining*: Über Crunches, Crunches auf der instabilen Matte und der Arbeit mit positiver Verstärkung habe ich das Steigen erarbeitet. Um aus der Kombination aus angehobenem Widerrist, abgekipptem Becken und Hankenbeugung hochzuspringen, braucht ein Pferd vermehrt Kraft. Das Ergebnis aus dieser Form des Trainings sehe ich am Ende beim Reiten, wo es vermehrt ein bergauf gibt sowie in Bewegungen wie im oben gezeigten Bild.

Ergebnis vom sensomotorischen Training mit Pferd, Fotocredit: Andrea Zachrau
Sleipi steigt – mein Lieblingsfoto aus meinem Buch Sensomotorisches Pferdetraining, fotografiert von Andrea Zachrau
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Wenn dich die Crunches mehr interessieren, empfehle ich dir mein Buch Sensomotorisches Pferdetraining*. Außerdem zeige ich dir die Crunches in meinem Onlinekurs Rückenfitte Pferde!

Cover Onlinekurs Rückenfitte Pferde

Mit dem Onlinekurs „Rückenfitte Pferde“ bekommst du ein grundlegendes Verständnis für gesunderhaltendes Pferdetraining sowie Einblicke in Anatomie und Biomechanik und du erfährst, wie du dein Pferd rückenfit trainieren kannst und worauf es dabei wirklich ankommt.

Eine gute Bewegung ist aber auch, wenn ein Pferd seine Hufe bewusst und gezielt setzen kann, beispielsweise wenn es Huf für Huf über eine Stange tritt. Hierbei muss es mit Schub- und Tragkraft spielen – hat es zu viel Schub und ist vorhandlastig, wird es die Vorderbeine nicht einzeln über die Stange setzen können. Es braucht immer sein zweites Bein als Ausgleich.

Ein Islandpferd, das seine Gänge klar trennen und mit ordentlicher Stellung und Biegung auf einer gebogenen Linie laufen kann, mit unebenen Waldwegen sowie Auf und Ab im Gelände keinerlei Probleme hat, hat in meinen Augen wesentlich mehr Bewegungsqualität als ein vorne strampelndes aber ansonsten völlig festes und in Form gepresstes Pferd.

Verstehst du, was ich meine? Ein Pferd mit guter Bewegung ist für mich ein toller Tänzer. Jemand, der seinen Körper frei und zwangslos mit geschlossenen Augen zur Musik bewegt. Keiner, der verkrampftes Tanzschultanzen zeigt.

Wichtig ist, dass Gangqualität und gute Bewegung immer individuell zu betrachten sind. Es gibt meiner Meinung nach kein Schema X, in das ein Pferd gepresst werden sollte. Bewegung ist immer auch abhängig davon, was ein Pferd körperlich überhaupt in der Lage ist zu zeigen.

Damit du meine Ansicht zur Bewegungsqualität eines Pferdes besser nachvollziehen kannst, möchte ich dir kurz erklären, was Bewegung überhaupt ist und wie Bewegung funktioniert.

Was ist Bewegung überhaupt?

Auf das Thema Bewegung und was dabei im Pferdekörper passiert, gehe ich verstärkt in meinem Onlinekurs Sensomotorisches Pferdetraining und natürlich auch in meinen Livekursen und Workshops ein.

Onlinekurs Sensomotorisches Pferdetraining

Sensomotorisches Training bedeutet, dass du auch die Sinnessysteme und das Gehirn in dein Training einbeziehst, um das Zusammenspiel von Gehirn, Nervensystem und Muskeln zu verbessern. Dies sorgt am Ende für eine bessere Koordination zwischen unterschiedlichen Muskeln bzw. innerhalb eines einzelnen Muskels, für ein besseres Körpergefühl des Pferdes, für mehr Stabilität und für verbesserte Bewegungsabläufe.

Grundsätzlich gilt: Bewegung ist die Reaktion des Körpers auf einen Reiz, der wahrgenommen und verarbeitet wird. Aufgrund der daraus resultierenden Informationen entscheidet dann das Gehirn, wie der Körper reagieren soll.

Wie funktioniert Bewegung beim Pferd
Wie funktioniert Bewegung beim Pferd?

Nun ist es so, dass das Gehirn nicht primär darauf ausgelegt ist, schöne Bewegungen zu erzeugen. Es ist darauf ausgelegt, das Überleben zu sichern. Das Nervensystem, das sozusagen das Kommunikationsorgan mit der Außenwelt ist, ist darauf aus, mögliche Gefahren schnellstmöglichst zu erfassen, damit der Körper schnellstmöglichst darauf reagieren kann. Eine mögliche Reaktion ist beispielsweise die Stabilisierung eines Gelenks.

Um mit einer präzisen und koordinierten Bewegung reagieren zu können, benötigt das Gehirn zahlreiche hochwertige und klare Informationen über den Körper und seine Umwelt. Es muss sozusagen eine 3-D-Landkarte des Körpers erstellen, um diesen adäquat steuern und einsetzen zu können. Wenn dein Pferd seinen Körper nicht optimal wahrnehmen kann, kann es ihn auch nicht optimal einsetzen. Ihm fehlt quasi ein Puzzleteil seines Körpers und die Landkarte weist schwarze Löcher auf. Je nachdem, wie viele und welche Puzzleteile in der Wahrnehmung deines Pferdes fehlen, zeigen sich unterschiedliche Probleme: Dein Pferd kann beispielsweise mit der Hinterhand nicht adäquat unter den Schwerpunkt fußen oder ist an manchen Körperstellen sehr berührungsempfindlich.

Kathy Sierra (pantherflows) fasst es in ihrem Onlinekurs Pain Science and Performance for Horse Owners mit zwei Fragen zusammen:

  1. What can move?
  2. How can it move?

Du kannst dir die Verknüpfung des Gehirns mit den Sinneszellen und den Muskeln als Wegenetz vorstellen. Je mehr ein Weg genutzt wird, desto breiter wird er. Irgendwann ist er eine sechsspurige Autobahn. Wird ein Weg nur wenig genutzt, wuchert er zu. Je mehr Reize dein Pferd also verarbeiten muss, sei es mit dem Tastsinn, dem Gleichgewichtssinn oder dem propriozeptiven System, desto breiter werden die Wege, desto schneller und besser funktioniert die Reizverarbeitung und desto besser ist die Informationsgrundlage, aufgrund derer dein Pferd Bewegungen ausführt.

Je besser die Kommunikation zwischen Sinnesorganen, Gehirn und den ausführenden Organen funktioniert, desto besser ist die Körperwahrnehmung deines Pferdes. Wenn die Kommunikation irgendwo nicht so gut funktioniert, bekommt das Gehirn zu wenig Informationen, um eine Bewegung optimal auszuführen. Dein Pferd wird z.B. auf Ausweichmechanismen wie einen hohen Muskeltonus zurückgreifen.

Dazu liest du mehr in meinem Buch:

Lesetipp: Darum ist ein gutes Körpergefühl so wichtig

Sind die Muskeln fest und verspannt, ist der Bewegungsradius wiederum beschränkt. Nehmen wir als Beispiel die Hinterhand. Sie wird so bewegt: der Bauchmuskel kontrahiert, das Bein geht nach vorn, der lange Rückenmuskel dehnt sich. (Das ist jetzt stark vereinfacht erklärt). Wenn sich der lange Rückenmuskel aber nicht richtig dehnen lässt, weil er angespannt ist, kann das Hinterbein nicht entsprechend weit unter den Schwerpunkt vorschwingen und das Becken kann nicht korrekt abkippen.

Und wie erreiche ich nun eine gute Bewegung?

Damit eine Bewegung kraftvoll, spezifisch, stabil, koordiniert und dynamisch sein kann, braucht das Gehirn also eine gute Kenntnis des Körpers, den es verwaltet. Denn anhand der vorhandenen Informationen über den Körper und die jeweilige Situation, entscheidet das Gehirn, wie die Bewegung ausgeführt wird.

Für eine gute Bewegung braucht das Gehirn zahlreiche Informationen
Für eine gute Bewegung braucht das Gehirn zahlreiche Informationen

Bewegung ist somit das Ergebnis einer Entscheidung des Gehirns aufgrund der vorliegenden Informationen. Somit lässt sich sagen, dass ein gutes Trainingsergebnis und damit eine gute Bewegung das Ergebnis der Arbeit von Gehirn und zentralem Nervensystem ist. Je besser sie arbeiten, desto besser ist die Bewegung.

Und das kannst du trainieren, indem du deinem Pferd ganz viele unterschiedliche Reize im (Trainings-)Alltag bietest. Denn je mehr Reize dein Pferd wahrnehmen kann, desto umfangreicher und schneller ist die Informationsgrundlage, aufgrund derer dein Pferd Bewegungen ausführt. Aus ISDN wird DSL – oder so ähnlich.

Verschiedene Übungsideen findest du in meinem Onlinekurs Pferdetraining mit instabilen Untergründen, im Onlinekurs Sensomotorisches Pferdetraining und eben in meinem Buch Sensomotorisches Pferdetraining*.

Ansonsten hilft es sehr, im Training kreativ zu sein (mit Klick auf den Link kommst du zum passenden Artikel):

Vielfältige Reize verhelfen dem Pferd zu einer besseren Körperwahrnehmung
Vielfältige Reize verhelfen dem Pferd zu einer besseren Körperwahrnehmung

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Und zum Schluss noch ein weiterer Gedanke zur Bewegungsoptimierung: Betrachten wir die Bewegung losgelöst von der mentalen Ebene, gibt es erstmal keine Unterscheidung bei der Bewegung zwischen Flucht und sportlicher Leistung. Da aber bei der Wahrnehmung immer auch eine emotionale Komponente beinhaltet, gibt es für das Fluchttier Pferd durchaus einen Unterschied. Deswegen ist es auch so wichtig, stets eine angenehme und „sichere“ Lern- und Trainingsatmosphäre zu schaffen.

Was ist deine Meinung zu guter Bewegung und was macht für dich Bewegungsqualität beim Pferd aus? Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!

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